Logen-Blog [140]: Jean Paul und Ludwig Uhland
Würde nicht ein gründlicherer Schulkollege deinen Gustav, wenn er mit dem Rücken auf dem Grase liegt und in den blauen Himmelkrater hinaufzusinken oder auf Flügeln an den Schulterblättern durch das All zu schwimmen träumt, mit dem Spazierstock an ein Buch von Nutzen treiben?
Ernst Förster, der Schwiegersohn Jean Pauls, hat 1826 – also posthum – diese köstliche Zeichnung hergestellt. Jean Paul hat das wohl oft gemacht: im Grase liegen und in den Himmel schauen. Sie erinnert an ein Wort des französischen Dichters Saint-Pol-Roux, der, bevor er sich zum Schlafen legte, ein Schild an die Tür zu hängen pflegte: Der Dichter arbeitet.[1] Förster versah die Zeichnung mit einem Titel: In Gras und Blumen lieg ich gern. Die Zeile ist ein Zitat, denn Förster entnahm sie dem Gedicht Frühlingsruhe, das Ludwig Uhland als drittes der Frühlingslieder in seiner ersten großen Gedichtsammlung 1815 veröffentlicht hatte (übrigens bei Cotta, dem Verleger auch Jean Pauls):
O legt mich nicht ins dunkle Grab,
Nicht unter die grüne Erd hinab!
Soll ich begraben sein,
Lieg ich ins tiefe Gras hinein.
In Gras und Blumen lieg' ich gern,
Wenn eine Flöte tönt von fern
Und wenn hoch obenhin
Die hellen Frühlingswolken ziehn.
Ist es ein Zufall, dass Wilhelm Müller – der „Griechenmüller“, dessen Gedichtzyklus Die Winterreise und Die schöne Müllerin durch Franz Schubert in die Ewigkeit geholt wurden, und der 1826 auf den Spuren Jean Pauls nach Bayreuth kam und die Rollwenzelin besuchte –, dieses Gedicht in seinem 1827 publizierten Aufsatz Ueber die neueste lyrische Poesie der Deutschen. Ludwig Uhland und Justinus Kerner zitierte?[2] Müller stellte „eine Wechselwirkung zwischen Subject und Object“ fest, „so dass das Subjective die Gestalten, die es trägt, durchleuchtend und widerscheinend, färbt, das Objective aber die Grundfarbe des Subjectiven bedingt“.
Kannte Jean Paul das Gedicht? Es ist nicht unwahrscheinlich. Kannte er Ludwig Uhland? Was heißt „kennen“? Der schwäbische Dichter Karl Mayer, der den Weltendichter 1810 in Bayreuth besuchte, berichtete über seine Begegnung in seinem 1867 herausgekommenem Buch Ludwig Uhland, seine Freunde und Zeitgenossen: Karl August von Varnhagen habe ihm, Jean Paul, über Uhland und Kerner geschrieben (was vermutlich am 11. Februar 1809 geschehen war). Mayer wünschte sich nun, dass Uhland auch mit Jean Paul bekannt würde, worauf dieser antwortete: „Er kann es werden. Hat er nichts von mir gelesen? Das ist die beste Bekanntschaft.“
Man kann die schöne Zeichnung mit dem Zitat des großen Dichters heute im Jean-Paul-Museum der Stadt Bayreuth bewundern.
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[1] Ich verdanke diese hintersinnige Information dem Bayreuther Saint-Pol-Roux-Übersetzer, -Herausgeber und -Forscher Joachim Schultz, der für das Literaturportal Bayern das Blog über Oskar Panizza schreibt.
[2] Er findet sich in Hermes, oder Kritisches Jahrbuch der Literatur. Bd. 28, 1827, S. 94-129.
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Würde nicht ein gründlicherer Schulkollege deinen Gustav, wenn er mit dem Rücken auf dem Grase liegt und in den blauen Himmelkrater hinaufzusinken oder auf Flügeln an den Schulterblättern durch das All zu schwimmen träumt, mit dem Spazierstock an ein Buch von Nutzen treiben?
Ernst Förster, der Schwiegersohn Jean Pauls, hat 1826 – also posthum – diese köstliche Zeichnung hergestellt. Jean Paul hat das wohl oft gemacht: im Grase liegen und in den Himmel schauen. Sie erinnert an ein Wort des französischen Dichters Saint-Pol-Roux, der, bevor er sich zum Schlafen legte, ein Schild an die Tür zu hängen pflegte: Der Dichter arbeitet.[1] Förster versah die Zeichnung mit einem Titel: In Gras und Blumen lieg ich gern. Die Zeile ist ein Zitat, denn Förster entnahm sie dem Gedicht Frühlingsruhe, das Ludwig Uhland als drittes der Frühlingslieder in seiner ersten großen Gedichtsammlung 1815 veröffentlicht hatte (übrigens bei Cotta, dem Verleger auch Jean Pauls):
O legt mich nicht ins dunkle Grab,
Nicht unter die grüne Erd hinab!
Soll ich begraben sein,
Lieg ich ins tiefe Gras hinein.
In Gras und Blumen lieg' ich gern,
Wenn eine Flöte tönt von fern
Und wenn hoch obenhin
Die hellen Frühlingswolken ziehn.
Ist es ein Zufall, dass Wilhelm Müller – der „Griechenmüller“, dessen Gedichtzyklus Die Winterreise und Die schöne Müllerin durch Franz Schubert in die Ewigkeit geholt wurden, und der 1826 auf den Spuren Jean Pauls nach Bayreuth kam und die Rollwenzelin besuchte –, dieses Gedicht in seinem 1827 publizierten Aufsatz Ueber die neueste lyrische Poesie der Deutschen. Ludwig Uhland und Justinus Kerner zitierte?[2] Müller stellte „eine Wechselwirkung zwischen Subject und Object“ fest, „so dass das Subjective die Gestalten, die es trägt, durchleuchtend und widerscheinend, färbt, das Objective aber die Grundfarbe des Subjectiven bedingt“.
Kannte Jean Paul das Gedicht? Es ist nicht unwahrscheinlich. Kannte er Ludwig Uhland? Was heißt „kennen“? Der schwäbische Dichter Karl Mayer, der den Weltendichter 1810 in Bayreuth besuchte, berichtete über seine Begegnung in seinem 1867 herausgekommenem Buch Ludwig Uhland, seine Freunde und Zeitgenossen: Karl August von Varnhagen habe ihm, Jean Paul, über Uhland und Kerner geschrieben (was vermutlich am 11. Februar 1809 geschehen war). Mayer wünschte sich nun, dass Uhland auch mit Jean Paul bekannt würde, worauf dieser antwortete: „Er kann es werden. Hat er nichts von mir gelesen? Das ist die beste Bekanntschaft.“
Man kann die schöne Zeichnung mit dem Zitat des großen Dichters heute im Jean-Paul-Museum der Stadt Bayreuth bewundern.
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[1] Ich verdanke diese hintersinnige Information dem Bayreuther Saint-Pol-Roux-Übersetzer, -Herausgeber und -Forscher Joachim Schultz, der für das Literaturportal Bayern das Blog über Oskar Panizza schreibt.
[2] Er findet sich in Hermes, oder Kritisches Jahrbuch der Literatur. Bd. 28, 1827, S. 94-129.