Deutsch-tschechisches Autoren- und Übersetzertreffen 2011
Seit 2009 pflegt das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg/Literaturhaus Oberpfalz eine intensive Kooperation mit dem Prager Literaturhaus für deutschsprachige Autoren: Deutsch-tschechische Literaturveranstaltungen und gegenseitige Besuche mit bayerischen und böhmischen Autoren, eine gemeinsam organisierte Literaturfahrt von Böhmen nach Bayern 2010, der Austausch von Ausstellungen und zuletzt ein gemeinsamer Auftritt auf der Leipziger Buchmesse zeugen von der regen Zusammenarbeit. Nun initiierten Lucie Černohousová und Patricia Preuß, die Leiterinnen der beiden Häuser, ein deutsch-tschechisches Autoren- und Übersetzertreffen im Europäischen Comenium Eger, einer Sommerakademie, die in der grenznahen, geschichtsträchtigen Stadt Eger/Cheb in einem historischen Gerbereigebäude ihr Domizil gefunden hat. Das Europäische Comenium, als Stiftung 1992 von Historiker und Literaturwissenschaftler Frank Boldt gegründet, war zusammen mit dem Hessischen Literaturrat Kooperationspartner dieses Projekts, das vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst aus Mitteln der Bayerischen Staatskanzlei gefördert wurde.
Ein Juli-Wochenende lang lasen und diskutierten acht Autorinnen und Autoren und zwei Übersetzerinnen aus beiden Ländern in Werkstattgesprächen ihre Entwürfe und Ideen von „Heimat“. Für dieses Treffen verfasste Kurzessays dienten als Diskussionsgrundlage. Das Ergebnis ist ein Meinungsspektrum, das über jenes bisheriger Diskussionen zwischen deutschen und tschechischen Autoren hinausweist. Kerstin Specht, Norbert Niemann, Thomas Klupp und Silke Scheuermann schrieben und diskutierten aus deutscher Sicht, auf der tschechischen Seite kommen die Beiträge von Josef Moník, Markéta Pilátová, Alena Zemančiková und Tomáš Zmeškal. Die Übersetzerinnen Kristina Kallert (Regensburg) und Jana Zoubková (Prag), die im Vorfeld die Essays übersetzten, bereicherten die Runde und wiesen auf interessante semantische Nuancen wie diese hin: Übersetzt man das Wort „Heimat“ vom Deutschen ins Tschechische, dann muss man sich entscheiden – und das gibt der Kontext vor – zwischen „vlast“, mit „Heimat-“ oder auch „Vaterland “ übersetzt, und „domov“, das dem deutschen Begriff von „Zuhause“ am nächsten kommt und neutral gebraucht wird. Im Mittelpunkt deutsch-tschechischer Literaturveranstaltungen und Podiumsdiskussionen standen in den vergangenen Jahren drei historische Wegmarken: die Zeit um 1945 (Besetzung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Deutschland und die Vertreibung der Sudetendeutschen), das Jahr 1968 (Studentenunruhen auf der einen, Einmarsch der Sowjets auf der anderen Seite) und das Jahr 1989, als der Eiserne Vorhang fiel. Nicht, dass diese Aspekte keine Rolle mehr spielen würden, aber der Horizont der Diskussion – so zeigt sich in den Essays und in den Werkstattdiskussionen – lässt sich über das Thema „Heimat“ öffnen: Die Frage nach dem jeweils individuellen Heimatbegriff ist immer noch stark verbunden mit der Frage nach dem ideologischen Missbrauch in bestimmten politischen Situationen, das gilt vor allem für die Generation, die von der Zeit des Kalten Kriegs geprägt wurde.
Tendenziell reiben sich die deutschen Autorinnen und Autoren mehr an dem Begriff „Heimat“, während das im Fall der tschechischen Autorinnen und Autoren eher für den Begriff der „Nation“ gilt. Daher ist es für letztere kein Problem, dem Begriff „Heimat“ positiv gegenüber zu stehen und ihn positiv zu besetzen. Es wurde auch klar: Der Begriff „Heimat“ kann heute nicht mehr diskutiert werden, ohne die Wirkung der Massenmedien und der Neuen Medien zu reflektieren und das Phänomen der Globalisierung einzuschließen, das ein neues Licht auf Migrationsbewegungen wirft, die nicht mehr nur von politischen Verhältnissen ausgelöst werden und zwangsläufig unfreiwillig sein müssen, sondern Ausdruck einer, wenn auch zwiespältigen Freiheit sein können. Das Literaturportal Bayern veröffentlicht alle Essays der teilnehmenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sowohl in der deutschen als auch in der tschechischen Version. Auszüge dieser Essays wurden bereits in der Zeitschrift Aviso des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst publiziert, der wir auch diesen einleitenden Text verdanken.
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Seit 2009 pflegt das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg/Literaturhaus Oberpfalz eine intensive Kooperation mit dem Prager Literaturhaus für deutschsprachige Autoren: Deutsch-tschechische Literaturveranstaltungen und gegenseitige Besuche mit bayerischen und böhmischen Autoren, eine gemeinsam organisierte Literaturfahrt von Böhmen nach Bayern 2010, der Austausch von Ausstellungen und zuletzt ein gemeinsamer Auftritt auf der Leipziger Buchmesse zeugen von der regen Zusammenarbeit. Nun initiierten Lucie Černohousová und Patricia Preuß, die Leiterinnen der beiden Häuser, ein deutsch-tschechisches Autoren- und Übersetzertreffen im Europäischen Comenium Eger, einer Sommerakademie, die in der grenznahen, geschichtsträchtigen Stadt Eger/Cheb in einem historischen Gerbereigebäude ihr Domizil gefunden hat. Das Europäische Comenium, als Stiftung 1992 von Historiker und Literaturwissenschaftler Frank Boldt gegründet, war zusammen mit dem Hessischen Literaturrat Kooperationspartner dieses Projekts, das vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst aus Mitteln der Bayerischen Staatskanzlei gefördert wurde.
Ein Juli-Wochenende lang lasen und diskutierten acht Autorinnen und Autoren und zwei Übersetzerinnen aus beiden Ländern in Werkstattgesprächen ihre Entwürfe und Ideen von „Heimat“. Für dieses Treffen verfasste Kurzessays dienten als Diskussionsgrundlage. Das Ergebnis ist ein Meinungsspektrum, das über jenes bisheriger Diskussionen zwischen deutschen und tschechischen Autoren hinausweist. Kerstin Specht, Norbert Niemann, Thomas Klupp und Silke Scheuermann schrieben und diskutierten aus deutscher Sicht, auf der tschechischen Seite kommen die Beiträge von Josef Moník, Markéta Pilátová, Alena Zemančiková und Tomáš Zmeškal. Die Übersetzerinnen Kristina Kallert (Regensburg) und Jana Zoubková (Prag), die im Vorfeld die Essays übersetzten, bereicherten die Runde und wiesen auf interessante semantische Nuancen wie diese hin: Übersetzt man das Wort „Heimat“ vom Deutschen ins Tschechische, dann muss man sich entscheiden – und das gibt der Kontext vor – zwischen „vlast“, mit „Heimat-“ oder auch „Vaterland “ übersetzt, und „domov“, das dem deutschen Begriff von „Zuhause“ am nächsten kommt und neutral gebraucht wird. Im Mittelpunkt deutsch-tschechischer Literaturveranstaltungen und Podiumsdiskussionen standen in den vergangenen Jahren drei historische Wegmarken: die Zeit um 1945 (Besetzung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Deutschland und die Vertreibung der Sudetendeutschen), das Jahr 1968 (Studentenunruhen auf der einen, Einmarsch der Sowjets auf der anderen Seite) und das Jahr 1989, als der Eiserne Vorhang fiel. Nicht, dass diese Aspekte keine Rolle mehr spielen würden, aber der Horizont der Diskussion – so zeigt sich in den Essays und in den Werkstattdiskussionen – lässt sich über das Thema „Heimat“ öffnen: Die Frage nach dem jeweils individuellen Heimatbegriff ist immer noch stark verbunden mit der Frage nach dem ideologischen Missbrauch in bestimmten politischen Situationen, das gilt vor allem für die Generation, die von der Zeit des Kalten Kriegs geprägt wurde.
Tendenziell reiben sich die deutschen Autorinnen und Autoren mehr an dem Begriff „Heimat“, während das im Fall der tschechischen Autorinnen und Autoren eher für den Begriff der „Nation“ gilt. Daher ist es für letztere kein Problem, dem Begriff „Heimat“ positiv gegenüber zu stehen und ihn positiv zu besetzen. Es wurde auch klar: Der Begriff „Heimat“ kann heute nicht mehr diskutiert werden, ohne die Wirkung der Massenmedien und der Neuen Medien zu reflektieren und das Phänomen der Globalisierung einzuschließen, das ein neues Licht auf Migrationsbewegungen wirft, die nicht mehr nur von politischen Verhältnissen ausgelöst werden und zwangsläufig unfreiwillig sein müssen, sondern Ausdruck einer, wenn auch zwiespältigen Freiheit sein können. Das Literaturportal Bayern veröffentlicht alle Essays der teilnehmenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller, sowohl in der deutschen als auch in der tschechischen Version. Auszüge dieser Essays wurden bereits in der Zeitschrift Aviso des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst publiziert, der wir auch diesen einleitenden Text verdanken.