Reisen

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Kalabrien ist die südlichste Region des italienischen Festlandes. Im Bild: Wanderweg von Caria nach Tropea.

Dann heiratete ich, und ich ging mit meiner Frau ins Ausland. Ich lebte erst sehr gut: denn ich hatte Geld. Und dann, sehr plötzlich, hatte ich kein Geld mehr. Wir waren damals an der Riviera, es war während der Saison, und ich sagte zu meiner jungen, schönen und gutangezogenen Frau: „Höre, wir haben kein Geld mehr. Wir müssen in irgendeine billige Gegend gehen. Im Baedeker steht, Sardinien sei sehr billig oder auch Calabrien.“ Wir warfen eine Münze und gingen nach Calabrien.

In seiner Selbstdarstellung verschweigt Lion Feuchtwanger, dass sie ihr Reisegeld in Monte Carlo innerhalb kürzester Zeit verspielt hatten. Sogar die Direktion des Spielcasinos war in Sorge um das junge leichtsinnige Paar geraten und hatte angeboten, die Fahrkarten für die Heimreise zu zahlen, aber Lion und Marta schlugen das Angebot aus. Sie wollten im Süden bleiben. In Kalabrien benötigte man tatsächlich nur sehr wenig Geld zum Leben. Das Paar war mit Rucksäcken zu Fuß unterwegs, schlief in Herbergen auf Maisstroh, ernährte sich überwiegend von Obst, Wein und Brot, getunkt in „Ziegenmilch, gemischt mit Marsala“. In Sizilien bestiegen sie den Ätna. Doch der Geldmangel beeinträchtigte das Vergnügen. Feuchtwanger berichtet in seiner Selbstdarstellung:

Ich erinnere mich vor allem an einige Tage in Girgenti, die sogar sehr unangenehm waren. Ich erwartete Geld von einer deutschen Zeitung, es kam nicht. Wir wohnten in einem Raum, der nur ein winziges Fenster im Dache hatte und auch tagsüber finster war. Eine schmale, dunkle und gefährliche Wendeltreppe führte hinauf. Tauben wurden in diesem Raum gehalten, der Boden war voll von ihrem Kot. Wir hatten schließlich nurmehr eine Konservenbüchse mit Sardinen und vier Brötchen. Einen Tag aßen wir nichts. Den zweiten Tag beschlossen wir, nun die Büchse aufzuessen. [...] Am nächsten Tag aßen wir nichts. Den vierten Tag kam das Geld.

(Lion Feuchtwanger: Centum Opuscula, a.a.O., S. 367ff.)

Sie reisten weiter nach Tunesien, und wurden dort vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht. Lion Feuchtwanger wurde als feindlicher Ausländer von den französischen Kolonialbehörden inhaftiert. Marta Feuchtwanger initiierte und organisierte seine Flucht. Mit dem Pass eines maltesischen Kellners entkam er auf einem italienischen Schiff. In München wurde seine Flucht als Heldentat gefeiert.  

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt