Theater

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The Dancer’s Reward, Illustration von Aubrey Beardsley, 1894

Lion Feuchtwangers Liebe galt dem Theater. Doch er konnte sich in seiner Autorentätigkeit eine Zeitlang nicht zwischen Prosa und Drama entscheiden. Er bewunderte gleichzeitig die sprachliche Meisterschaft Hofmannsthals, Georges und Rilkes sowie das psychologische Einfühlungsvermögen Zolas und Schnitzlers.

Marta Feuchtwanger schildert in ihren Erinnerungen einen Ausflug ins Isartal, bei dem ihr Lion – „unter einem Baum liegend“ – von der Zeit berichtete, als sie sich noch nicht kannten: 

Er sprach von seinem glühenden Interesse für das Theater und seinen frühen Versuchen. Wie er ermutigt wurde durch den damaligen Kritiker der größten Münchner Zeitung [Münchener Neuesten Nachrichten, e. A.], Hans von Gumppenberg, der aussah wie Verlaine, aus einem alten Adelsgeschlecht – älter als die Wittelsbacher, das regierende Königshaus – stammte und sehr arm war. Ein Theater  hatte das Wagnis auf sich genommen, zwei Einakter Lions aufzuführen, und er erzählte nun, wie diese Premiere von Anfang an unter einem bösen Zeichen stand. Die Stücke hießen König Saul und Prinzessin Hilde, und sie waren von Oscar Wildes Salomé beeinflusst.

Das Debakel begann eigentlich schon vor der Aufführung im Volkstheater, als der Minnesängerbart des männlichen Hauptdarstellers aus Prinzessin Hilde in Brand geriet.

Der Darsteller löste, ohne Spitzbart, mit seinem runden Gesicht und verstört glotzenden Augen, schon bei seinem ersten Auftritt große Heiterkeit aus. Die biblischen blumigen Wiederholungen à la Oscar Wilde hatten bereits beim König Saul die Lachlust der Zuschauer erregt. Sie begannen, die Weissagungen der Hexen, „Saul wird sterben auf den Höhen von Gilboa“, im Rhythmus mitzusprechen.

Die Zeitungen berichteten, der Autor habe sich in der Direktionsloge das Taschentuch in den Mund stopfen müssen, um nicht laut loszulachen. Seiner Familie war allerdings überhaupt nicht zum Lachen zumute. Sie war in großer Zahl und mit großen Erwartungen zur Aufführung erschienen.

Ganz schlimm wurde es, als die Großmutter auch noch ihre Brillantbrosche verlor und nach der Vorstellung der Autor verschwunden war. Die Familie befürchtete das Schlimmste, und die Stimmung wurde nicht besser, als sich herausstellte, dass der verlorene Sohn nach dem Debakel den angebrochenen Abend mit der Hauptdarstellerin in einem Weinlokal verbrachte. Am andern Tag wurde ein nicht sehr angesehenes Mitglied der Familie beim Vater vorstellig und verlangte, dass Lion Feuchtwanger von nun an unter einem anderen Namen schreiben sollte.

(Marta Feuchtwanger: Nur eine Frau, a.a.O., S. 11ff.) 

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt