Auschwitz

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Karte des Interessengebietes des Konzentrationslagers Auschwitz

Im Herbst 1944 wurden Frýd und Reiner nach Auschwitz deportiert. Frýd wurde in der Schreibstube eingesetzt, wo er die Veränderungen im Lager über die zu beschriftenden Karteikärtchen erfasste, die ihm als eine Art Papiersäule ähnlich der Quecksilbersäule in einem Thermometer erschienen. Nicht von ungefähr nannte er seinen späteren KZ-Roman Kartei der Lebenden.

Empfindlich und überaus wichtig war diese Papiersäule, der letzte amtliche Beleg, das letzte Dokument von dreitausend Menschen, die man hinter Stacheldraht getrieben und ihrer Zivilkleidung mit den vielen praktischen Taschen für Ausweise beraubt hatte. Der Verbrennungsofen in Auschwitz hatte alles Unwesentliche an ihnen vernichtet. Er ließ nur dreitausend Leiber zurück, nackt und schmutzverkrustet, ohne Kleider, ohne Ringe am Finger, ja, sogar ohne ein einziges Haar am Körper, das mit seinem Schimmer, seiner Entbehrlichkeit, den Erinnerungen, mit denen es vollgesogen war, die kahlen Stümpfe hätte verhüllen können.

(S. 7f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl