Thomas Mann in Abwinkl

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Katia und Thomas Mann mit ihren Kindern Erika, Klaus und Golo vor ihrem Landhaus in Bad Tölz, Sommer 1909 (Archiv Monacensia)

Der in Lübeck geborene Thomas Mann lernt das Tegernseer Tal durch seine Eltern kennen, die seit 1883 Sommergäste in Wildbad Kreuth sind. In den Sommermonaten 1902 und 1903 hält er sich bei einem Freund in der Kreuther Villa Taube auf und macht Bekanntschaft mit Ganghofer und dem Simplicissimus-Kreis, u.a. mit Thoma und Gulbransson. In den 20-er Jahren mietet sich Thomas Mann in Feldafing ein kleines Villino am Starnberger See, wo er an seinem Roman Der Zauberberg schreibt. In Abwinkl am Tegernsee hat er sich nicht nur „zum ersten Mal [...] auf dem Gipfel eines höheren Berges“ befunden, sondern auch an die Abfassung eines „Prosa-Idylls“ herangemacht:

Ich genoß das Wasser, das uns in Tölz so gänzlich fehlte, das Rudern, den Badestrand etc. beinahe so sehr wie die Kinder und war, komisch zu sagen, zum ersten Mal in meinem Leben auf dem Gipfel eines höheren Berges, dem Hirschberg, 1670 m, mit kolossalem Fernblick bei Sonnenaufgang in die tiefsten Alpen. Der Eindruck paßte gut zu meiner Lektüre: Stifter, – meiner neuesten Entdeckung; ich las die ganze Zeit beinahe nichts anderes und bin bei ihm irgendwie bei mir zu Hause, ob Sie das nun wundernimmt oder nicht. Modern ist er ja nicht, aber ich finde doch, gegen so etwas wie den Abdias kommt selbst Kasimir Edschmid nicht auf.

Geschrieben habe ich auch ein bißchen, nämlich an dem Prosa-Idyll Herr und Hund, mit dem ich nun gleich fertig bin.

Dann kann ich endlich wieder zum Zauberberg übergehen, den ich vor dem Hochstapler beenden muß. Fertig gemacht wird alles, wenn Gott Leben und Gesundheit schenkt; aber eine Frage der Zeit ist es freilich, und wenn Sie, wie es wohl rätlich sein wird, mit der Ausführung Ihres mich rührenden und beschämenden Vorhabens warten wollen, bis die beiden begonnenen Romane vorliegen, so können Sie, glaube ich, unterdessen ruhig noch einen Kleist schreiben. (Zit. aus: Thomas Mann: Briefe 1889-1936. Hg. von Erika Mann. Frankfurt am Main 1979, S. 148f. © S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1979)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 120, S. 258.