Wieder und wieder erzählen
Nico Rost wurde als Autor in beiden Teilen Deutschlands wahrgenommen. Das Angebot, in die DDR überzusiedeln und dort ein literarisches Archiv aufzubauen, scheiterte letztlich am unorthodoxen Sozialismus Rosts. In all seinem Schmerz blieb er dennoch stets ein Versöhner und Gerechter.
Zwölf lange Jahre hat hier im KZ Dachau [...] die SS geherrscht; mit Mord, Folterungen und Grausamkeiten aller Art. In denselben Jahren sind hier aber von Häftlingen, mit einer Selbstverständlichkeit ohnegleichen, kaum vorstellbare Taten menschlicher Größe und Selbstaufopferung vollbracht worden. Ohne diese Beweise echter Zusammengehörigkeit, ohne diese Bereitschaft, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, um das eines anderen zu retten, wären hier noch unvergleichlich mehr Opfer gefallen. Zu diesen stillen Helden zählten Angehörige aller Nationen, doch die Wahrheit gebietet festzustellen, dass besonders viele Deutsche unter ihnen waren.
(Nico Rost: Opfer für eine bessere Zukunft. Gedenkrede, gehalten auf den KZ-Ehrenfriedhof Dachau am 12. November 1960. In: Deutsche Woche. 23. November 1960)
Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, stets den Finger in die Wunde zu legen. 1964 verfasste er einen Artikel über einen Nazi der ersten Stunde: SS-Führer Hans Hinkel, der, nach kurzer Haftstrafe in Polen, in Deutschland nicht weiter zur Verantwortung gezogen wurde. Hinkel hatte als Sonderbeauftragter für Kultur im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter anderem den deutschen Clark Gable, Schauspieler Joachim Gottschalk, und seine Familie in den Tod getrieben: als er verlangte, Gottschalk solle sich von seiner jüdischen Frau, der Schauspielerin Meta Wolff, scheiden lassen. Nachdem er sich über Jahre hinweg standhaft weigerte, schied Gottschalk zusammen mit seiner Frau und seinem achtjährigen Sohn Michael am 6. November 1941 aus dem Leben.
Herr Hans Hinkel lebt ruhig und ungestört in Göttingen, von seiner Pension als Oberregierungsrat – und niemand fragt ihn: „Wissen Sie noch, Herr Hinkel?“ und doch ist es meiner Meinung nach notwendig, dass wir sein Gedächtnis – und auch das unsere – ein wenig auffrischen. [...]
Darum möchte ich [...] versuchen, mir und andern die Tatsache begreiflich zu machen – was nicht leicht sein wird –, dass Sie, statt in einem Gefängnis zu sitzen, ungestört in Göttingen Ihre Pension verzehren können. [...] Vielleicht sind Sie der Meinung, dass Sie dieses sorglose Alter verdient haben? Nun, dazu habe ich dann auch einiges zu sagen...
(Nico Rost: „Wissen Sie noch, Herr Hinkel?“ In: Der Ausweg. Januar 1964. Wien, S. 14)
Nico Rost starb am 1. Februar 1967 in Amsterdam.
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Nico Rost wurde als Autor in beiden Teilen Deutschlands wahrgenommen. Das Angebot, in die DDR überzusiedeln und dort ein literarisches Archiv aufzubauen, scheiterte letztlich am unorthodoxen Sozialismus Rosts. In all seinem Schmerz blieb er dennoch stets ein Versöhner und Gerechter.
Zwölf lange Jahre hat hier im KZ Dachau [...] die SS geherrscht; mit Mord, Folterungen und Grausamkeiten aller Art. In denselben Jahren sind hier aber von Häftlingen, mit einer Selbstverständlichkeit ohnegleichen, kaum vorstellbare Taten menschlicher Größe und Selbstaufopferung vollbracht worden. Ohne diese Beweise echter Zusammengehörigkeit, ohne diese Bereitschaft, das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, um das eines anderen zu retten, wären hier noch unvergleichlich mehr Opfer gefallen. Zu diesen stillen Helden zählten Angehörige aller Nationen, doch die Wahrheit gebietet festzustellen, dass besonders viele Deutsche unter ihnen waren.
(Nico Rost: Opfer für eine bessere Zukunft. Gedenkrede, gehalten auf den KZ-Ehrenfriedhof Dachau am 12. November 1960. In: Deutsche Woche. 23. November 1960)
Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, stets den Finger in die Wunde zu legen. 1964 verfasste er einen Artikel über einen Nazi der ersten Stunde: SS-Führer Hans Hinkel, der, nach kurzer Haftstrafe in Polen, in Deutschland nicht weiter zur Verantwortung gezogen wurde. Hinkel hatte als Sonderbeauftragter für Kultur im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter anderem den deutschen Clark Gable, Schauspieler Joachim Gottschalk, und seine Familie in den Tod getrieben: als er verlangte, Gottschalk solle sich von seiner jüdischen Frau, der Schauspielerin Meta Wolff, scheiden lassen. Nachdem er sich über Jahre hinweg standhaft weigerte, schied Gottschalk zusammen mit seiner Frau und seinem achtjährigen Sohn Michael am 6. November 1941 aus dem Leben.
Herr Hans Hinkel lebt ruhig und ungestört in Göttingen, von seiner Pension als Oberregierungsrat – und niemand fragt ihn: „Wissen Sie noch, Herr Hinkel?“ und doch ist es meiner Meinung nach notwendig, dass wir sein Gedächtnis – und auch das unsere – ein wenig auffrischen. [...]
Darum möchte ich [...] versuchen, mir und andern die Tatsache begreiflich zu machen – was nicht leicht sein wird –, dass Sie, statt in einem Gefängnis zu sitzen, ungestört in Göttingen Ihre Pension verzehren können. [...] Vielleicht sind Sie der Meinung, dass Sie dieses sorglose Alter verdient haben? Nun, dazu habe ich dann auch einiges zu sagen...
(Nico Rost: „Wissen Sie noch, Herr Hinkel?“ In: Der Ausweg. Januar 1964. Wien, S. 14)
Nico Rost starb am 1. Februar 1967 in Amsterdam.