Paul Heyse in Berchtesgaden

Der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Paul Heyse gehört wie die Dichter Emanuel Geibel und Wilhelm Heinrich Riehl zu den „Nordlichtern“, die den Ruf Münchens als Stadt der Wissenschaft und der Kunst begründen. 1854 kommt er auf Einladung von Maximilian II. nach München und begleitet ihn mit weiteren Gefolgsleuten in dessen Sommerfrische nach Berchtesgaden. In seiner Autobiografie Jugenderinnerungen und Bekenntnisse berichtet Heyse über seinen Aufenthalt und über die Spazierfahrten, die er zusammen mit dem König und der Königin unternimmt:

An diese Spazierfahrten schlössen sich dann zuweilen kleine Wanderungen auf steileren Bergpfaden, auf denen die Königin allen voran war. Nach der Rückkehr hatte man beim Tee wieder zu erscheinen, worauf, wenn der König sich zurückzog, noch ein Souper, eine Partie Billard, zuweilen eine Mondscheinpromenade folgte. Vorgelesen wurde an diesen Teeabenden nicht mehr, auch der schöne Flügel niemals geöffnet. Oft aber brach man zu größeren Ausflügen schon früh am Tage auf, fuhr etwa in einer schön geschmückten großen Barke über den Königssee nach Bartholomä, – wo die Kirchweih das Gebirgsvolk von weit her zusammengeführt hatte, oder sah dem – nassen und trockenen – Holzsturz zu, bei dem riesige Stöße geschlagener Fichtenscheite, die auf der Höhe eines jäh abfallenden Felsens aufgeschichtet waren, durch einen gestauten Wildbach, dem plötzlich das Wehr weggezogen wurde, oder durch das Abschlagen der Stützen die ungeheure Wand hinab in den See geschleudert wurden. Oder man fuhr nach einem der weiter entlegenen Jagdhäuser, wo im Freien getafelt wurde. Bei solchen Gelegenheiten war die Königin besonders liebenswürdig und heiter, pflückte große Sträuße Wiesenblumen und unterhielt sich ausführlich mit dem Volk, das sich ihr zutraulicher näherte als dem „Herrn Kini“. Ich erinnere mich, dass einmal eine Bäuerin aus ihrer Hütte trat und Ihrer Majestät einen ansehnlichen Ballen Butter, lose in Kastanienblätter gewickelt, als Verehrung überreichte. Die Königin nahm ihn ohne Schonung ihrer Handschuhe dankend selbst in Empfang, versprach, von der Butter zu essen, und befahl dann auch, dass sie abends beim Tee aufgetragen werden sollte, wo sie sich's nicht nehmen ließ, selbst davon zu kosten, trotz des ranzigen Geschmacks; denn diese Liebesgabe hatte vielleicht schon eine Woche lang darauf warten müssen, der Frau Königin gelegentlich dargebracht zu werden. (Zit. aus: Paul Heyse: Jugenderinnerungen und Bekenntnisse. Berlin 1900, S. 248-253.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 29f., S. 252.