Familienbande

Tobias Dollinger, eine der Hauptfiguren in Horst Eckerts Kriminalgeschichte Drei Taschen für Mama, wohnt schon seit längerem nicht mehr in seiner Oberpfälzer Heimat. „Kreuz Düsseldorf-Süd, noch gut fünfhundert Kilometer zu seinem Heimatkaff in Bayerisch-Sibirien“, registriert er während seiner Fahrt zu seiner Mutter und seinen Brüdern nach Weiden. Darin ähnelt er seinem Schöpfer, dem Friedrich-Glauser-Preisträger Horst Eckert. Der gebürtige Weidener lebt seit fast 30 Jahren in Düsseldorf.

In den Augen seines älteren Bruders Michael, des „unterbezahlten Zweitliga-Spielers mit Realschulabschluss“, ist Tobias „der studierte Banker im fernen Rheinland“. Doch Barbara Dollinger, die Mutter der beiden, weiß, dass ihr Jüngster nur ein „kleines Würstchen im Investmentbanking“ ist. Der Älteste ist in ihrer Nähe geblieben und hat sich im Garten seines Elternhauses einen Bungalow gebaut. Die Heimatliebe hat seiner Fußballerkarriere im Weg gestanden, wie ihm der Spielerberater Riedmüller vorwirft:

„Aber du lebst ja lieber freiwillig in diesem Hinterwäldlerkaff.“ Riedmüller machte eine Handbewegung, die alles einschloss. Das Lokal, den Marktplatz vor dem Fenster, das alte Rathaus gegenüber. „Ich leb nicht in Weiden“, stellte Michael klar. „Sondern in Pressath. Das liegt zwanzig Kilometer von hier. Und so abgelegen, wie du tust, ist es gar nicht. An der Autobahn Regensburg-Hof steht ein Schild, auf dem Pressath erwähnt ist.“

(Tatort Oberpfalz. 10 Kriminalgeschichten. ars vivendi verlag, Cadolzburg 2013, S. 71)

Als Barbara Dollinger in Geldnot gerät, ahnt sie nicht, dass beide Söhne ihr zu Hilfe eilen – jeder mit einer Sporttasche voller Geld: Der eine hat die große Summe von seiner Bank abgezweigt, der andere hat sich bestechen lassen. Auch die Gedanken der Brüder ähneln sich. Tobias sinniert:

Letztlich war alles die Schuld seines Vaters. Dieser Spinner. In seinem Testament hatte er verfügt, dass seine Witwe das alte Familienunternehmen nicht verkaufen dürfe. Andernfalls würden die Biber erben.

Und Michael ist sich sicher:

Dollinger-Bau muss gehalten werden, überlegte Michael. Wenn seine Mutter die Firma loswerden will, erbt nur der Biberschutzbund. Eine unsinnige Testamentsbestimmung.

(Ebda., S. 70)

Doch die Mutter traut keinem ihrer Söhne zu, das Unternehmen zu retten und die absurde Testamentsverfügung außer Kraft zu setzen. Alfred, ihrer Jugendliebe, die sie auf einem Begräbnis wiedertrifft, vertraut sie ihre Einschätzung der beiden Söhne an – „der eine dick, der andere doof“ – und entwickelt einen raffinierten Plan, den sie mit Alfreds Hilfe umgehend realisiert.   

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

Verwandte Inhalte