Grete Weil im Tegernseer Tal
In ihrem autobiografischen Roman Generationen (1983) verarbeitet Grete Weil den touristisch-industriellen Wandel der Tegernseer Landschaft. In ihrer Kindheit ist hier noch Wald, „die jetzt regulierte, träg dahinfließende Isar ein reißender Gebirgsfluss“. Die nicht großartigen Berge „gehören“ – trotzdem – ihr: „Meine Wege, meine Almen, meine Felsen, meine Blicke.“ Die Landschaft früher Tage führt die Dichterin auch auf sehr persönliche Erinnerungspfade:
Ich stehe unten am Glaslhang des Wallbergs, dem letzten, sehr steilen Stück der Abfahrt, und schaue erstaunt auf die Massen, die da herunterrasen, viel schneller, viel eleganter als wir. Wir, das waren der Hinterseer Sepp und ich; er, einer der besten deutschen Skiläufer, ich, eine mittelmäßige Tourenfahrerin, aber wenn ich lange nach ihm unten ankam, lachte er übers ganze Gesicht und schrie: „Bravo.“ [...]
Bei einem meiner immer länger werdenden Spaziergänge, auf zwei oder drei Stunden schon ausgedehnt, über Wege, die ich als Kind unzählige Male gegangen bin, wo ich glaube, jeden Baum zu kennen, und manchmal verwundert stehen bleibe, weil da, wo ich den Baum erwarte, ein Haus ist, so ein putziges mit Holzbalkonen, herzförmigen Speicherluken und einer schmiedeeisernen Laterne über dem Eingang, bayerischer Landhausstil heißt das und ist doch nichts als eine jämmerliche Kopie alter Bauernhäuser, vorfabriziert und eines wie das andere. Bei einem dieser Spaziergänge will ich zum Bauern in der Au, habe aber keine Lust, auf der geteerten Straße, die inzwischen den Fußweg ersetzt hat, weiterzulaufen, und biege ein in die Schwarze Tenn. Würde ich immer geradeausgehen, käme ich zu einem Pfad, der rechts abzweigt zur Tegernseer Hütte, die unter dem Buchstein steht, dem kleinen Felsgipfel, von dem ich mich einmal zu Tode habe stürzen wollen. (Zit. aus: Grete Weil: Generationen. Roman. Zürich u.a. 1983, S. 37, S. 121-123. © Benziger Verlag, Mannheim 1983)
Sekundärliteratur:
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 236f., S. 265.
Weitere Kapitel:
In ihrem autobiografischen Roman Generationen (1983) verarbeitet Grete Weil den touristisch-industriellen Wandel der Tegernseer Landschaft. In ihrer Kindheit ist hier noch Wald, „die jetzt regulierte, träg dahinfließende Isar ein reißender Gebirgsfluss“. Die nicht großartigen Berge „gehören“ – trotzdem – ihr: „Meine Wege, meine Almen, meine Felsen, meine Blicke.“ Die Landschaft früher Tage führt die Dichterin auch auf sehr persönliche Erinnerungspfade:
Ich stehe unten am Glaslhang des Wallbergs, dem letzten, sehr steilen Stück der Abfahrt, und schaue erstaunt auf die Massen, die da herunterrasen, viel schneller, viel eleganter als wir. Wir, das waren der Hinterseer Sepp und ich; er, einer der besten deutschen Skiläufer, ich, eine mittelmäßige Tourenfahrerin, aber wenn ich lange nach ihm unten ankam, lachte er übers ganze Gesicht und schrie: „Bravo.“ [...]
Bei einem meiner immer länger werdenden Spaziergänge, auf zwei oder drei Stunden schon ausgedehnt, über Wege, die ich als Kind unzählige Male gegangen bin, wo ich glaube, jeden Baum zu kennen, und manchmal verwundert stehen bleibe, weil da, wo ich den Baum erwarte, ein Haus ist, so ein putziges mit Holzbalkonen, herzförmigen Speicherluken und einer schmiedeeisernen Laterne über dem Eingang, bayerischer Landhausstil heißt das und ist doch nichts als eine jämmerliche Kopie alter Bauernhäuser, vorfabriziert und eines wie das andere. Bei einem dieser Spaziergänge will ich zum Bauern in der Au, habe aber keine Lust, auf der geteerten Straße, die inzwischen den Fußweg ersetzt hat, weiterzulaufen, und biege ein in die Schwarze Tenn. Würde ich immer geradeausgehen, käme ich zu einem Pfad, der rechts abzweigt zur Tegernseer Hütte, die unter dem Buchstein steht, dem kleinen Felsgipfel, von dem ich mich einmal zu Tode habe stürzen wollen. (Zit. aus: Grete Weil: Generationen. Roman. Zürich u.a. 1983, S. 37, S. 121-123. © Benziger Verlag, Mannheim 1983)
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 236f., S. 265.