In der Zelle
Lena Christ schildert in ihrem Roman Die Rumplhanni eine Gefängnisszene in München: Darin findet sich die Protagonistin Hanni in einem Raum zusammen mit anderen Frauen wieder: Eine hat ihr Kind zum Krüppel geschlagen, eine andere hatte ihren Freier bestohlen, wieder eine andere zog als Landstreicherin mit Komplizen durchs Land und lebte von Einbrüchen in Häuser und Höfe. Das Aufnahmeverfahren in der Strafanstalt begann mit dem Ablegen der Kleider und Schuhe. „Du bist ein Sträfling wie jene andern! sagte sie sich; jetzt hat Gottes Mühl auch dich zwischen die Mahlsteine genommen.“
Nachdem die Aufseherin alles durchsucht hatte, durfte sich Hanni wieder anziehen und wurde in eine Zelle geführt, die mit Strohsack, Tischbrett und Bank ausgestattet war. Die Geräusche, die ihren Tagesablauf bestimmen, sind von nun an Schlüsselrasseln, Riegelschlagen und Rufe wie „Kübel raus! Krug raus!“ Sie hat die Zellennummer 28. Es dauert eine Weile, bis Hanni sich aus ihrer Starre gelöst hat, sie nimmt zwar das Essen durch die Türklappe in Empfang, ist aber nicht fähig, auch nur einen Brocken herunter zu schlucken. Scheu betrachtet sie ihre Mitgefangenen und das Geschehen um sich herum:
Bleiche Gesichter, freche, trotzige Mienen, vom Weinen verschwollene Augen, graue Büßerkittel, feine Schlafröcke: Für einen Augenblick huschen bunt zusammengewürfelt die Bewohnerinnen des Stockwerks aus ihren Zellentüren; mit scheuer Neugierde wandern schnelle Blicke den Gang hinauf, hinunter, und flüchtig werden hier und dort mit Augen und Händen Zeichen geheimen Einverständnisses gewechselt, indes zwei grobgewandete Mädchen Wasser in die Krüge füllen und das Brot verteilen und eine finster schauende Aufseherin alles bewacht, beobachtet, hier eine Erkrankte für die Sprechstunde beim Arzt vormerkt, dort ein Versehen rügt, eine Gefangene scharf anlässt und schließlich klappernd und rasselnd eine Zellentür um die andere zuschlägt und verriegelt.
(Lena Christ: Werke. Süddeutscher Verlag, München 1970, darin: Die Rumplhanni, München 1916, S. 641)
Weitere Kapitel:
Lena Christ schildert in ihrem Roman Die Rumplhanni eine Gefängnisszene in München: Darin findet sich die Protagonistin Hanni in einem Raum zusammen mit anderen Frauen wieder: Eine hat ihr Kind zum Krüppel geschlagen, eine andere hatte ihren Freier bestohlen, wieder eine andere zog als Landstreicherin mit Komplizen durchs Land und lebte von Einbrüchen in Häuser und Höfe. Das Aufnahmeverfahren in der Strafanstalt begann mit dem Ablegen der Kleider und Schuhe. „Du bist ein Sträfling wie jene andern! sagte sie sich; jetzt hat Gottes Mühl auch dich zwischen die Mahlsteine genommen.“
Nachdem die Aufseherin alles durchsucht hatte, durfte sich Hanni wieder anziehen und wurde in eine Zelle geführt, die mit Strohsack, Tischbrett und Bank ausgestattet war. Die Geräusche, die ihren Tagesablauf bestimmen, sind von nun an Schlüsselrasseln, Riegelschlagen und Rufe wie „Kübel raus! Krug raus!“ Sie hat die Zellennummer 28. Es dauert eine Weile, bis Hanni sich aus ihrer Starre gelöst hat, sie nimmt zwar das Essen durch die Türklappe in Empfang, ist aber nicht fähig, auch nur einen Brocken herunter zu schlucken. Scheu betrachtet sie ihre Mitgefangenen und das Geschehen um sich herum:
Bleiche Gesichter, freche, trotzige Mienen, vom Weinen verschwollene Augen, graue Büßerkittel, feine Schlafröcke: Für einen Augenblick huschen bunt zusammengewürfelt die Bewohnerinnen des Stockwerks aus ihren Zellentüren; mit scheuer Neugierde wandern schnelle Blicke den Gang hinauf, hinunter, und flüchtig werden hier und dort mit Augen und Händen Zeichen geheimen Einverständnisses gewechselt, indes zwei grobgewandete Mädchen Wasser in die Krüge füllen und das Brot verteilen und eine finster schauende Aufseherin alles bewacht, beobachtet, hier eine Erkrankte für die Sprechstunde beim Arzt vormerkt, dort ein Versehen rügt, eine Gefangene scharf anlässt und schließlich klappernd und rasselnd eine Zellentür um die andere zuschlägt und verriegelt.
(Lena Christ: Werke. Süddeutscher Verlag, München 1970, darin: Die Rumplhanni, München 1916, S. 641)