Erika von Watzdorf-Bachoff
Die Thüringische Schriftstellerin Erika von Watzdorf-Bachoff, die mit ihrer Familie um die Jahrhundertwende lange Jahre in München gelebt hatte und Stadt und Bewohnern noch immer eng verbunden war, war engagiertes Mitglied der Frauen- und Friedensbewegung und konnte sich anfangs der Faszination der neuen Zeit dennoch nur schwer entziehen:
Jeanne telegrafierte, dass sie nach München ins Hotel Continental zöge und bestellte Post zu Stucks, da Hotelgäste keine mehr bekamen. Hanns und Günther auf französischem Boden – welche Sorge! Die allgemeine Stimmung größter Begeisterung und Einigkeit riss auch mich hin, trotzdem ich dem Friedensgedanken verschworen war – so wenig kann man einer Massenpsychose widerstehen [...] aber das furchtbare Unrecht der Vergewaltigung Belgiens erschütterte mich tief, und bei der sofortigen Gegenwirkung Englands durch seine Kriegserklärung sagte meine Mutter, die ebenso im Englischen Zuhause war wie ich im Französischen, ganz verzweifelt: „Dann müssen wir den Krieg verlieren.“
(Erika von Watzdorf-Bachoff: Im Wandel und in der Verwandlung der Zeit: ein Leben von 1878 bis 1963. Aus dem Nachlass hg. v. Reinhard R. Doerries. Steiner Verlag, Stuttgart 1997, S. 220.)
Man hörte von großen Schlachten im Westen und Osten, Hindenburgs Gestalt war rettend aus der Versenkung aufgestiegen und vereinigte mit einem Schlag alle Hoffnungen auf sich. (Das Münchner Warenhaus Tietz führte u.a. Waschgeschirrgarnituren und Armschutzblätter mit seinem Bild! Waren [sic] nur andere Völker auch so geschmacklos?!) [...]
Ich bekam aus Antwerpen Aufsätze von Romain Rolland, die im Journal de Genève erschienen waren, zugeschickt und sie rüttelten meinen Pazifismus aus seiner beschämenden Lethargie wach. [...]
Ich fuhr von Jeanne ungeduldig erwartet auf einen glühendheißen Monat nach Starnberg. In Bayern fühlte man sehr viel weniger vom Kriege als bei uns daheim, aber es kamen viele Todesnachrichten.
(Ebda., 223.)
Weitere Kapitel:
Die Thüringische Schriftstellerin Erika von Watzdorf-Bachoff, die mit ihrer Familie um die Jahrhundertwende lange Jahre in München gelebt hatte und Stadt und Bewohnern noch immer eng verbunden war, war engagiertes Mitglied der Frauen- und Friedensbewegung und konnte sich anfangs der Faszination der neuen Zeit dennoch nur schwer entziehen:
Jeanne telegrafierte, dass sie nach München ins Hotel Continental zöge und bestellte Post zu Stucks, da Hotelgäste keine mehr bekamen. Hanns und Günther auf französischem Boden – welche Sorge! Die allgemeine Stimmung größter Begeisterung und Einigkeit riss auch mich hin, trotzdem ich dem Friedensgedanken verschworen war – so wenig kann man einer Massenpsychose widerstehen [...] aber das furchtbare Unrecht der Vergewaltigung Belgiens erschütterte mich tief, und bei der sofortigen Gegenwirkung Englands durch seine Kriegserklärung sagte meine Mutter, die ebenso im Englischen Zuhause war wie ich im Französischen, ganz verzweifelt: „Dann müssen wir den Krieg verlieren.“
(Erika von Watzdorf-Bachoff: Im Wandel und in der Verwandlung der Zeit: ein Leben von 1878 bis 1963. Aus dem Nachlass hg. v. Reinhard R. Doerries. Steiner Verlag, Stuttgart 1997, S. 220.)
Man hörte von großen Schlachten im Westen und Osten, Hindenburgs Gestalt war rettend aus der Versenkung aufgestiegen und vereinigte mit einem Schlag alle Hoffnungen auf sich. (Das Münchner Warenhaus Tietz führte u.a. Waschgeschirrgarnituren und Armschutzblätter mit seinem Bild! Waren [sic] nur andere Völker auch so geschmacklos?!) [...]
Ich bekam aus Antwerpen Aufsätze von Romain Rolland, die im Journal de Genève erschienen waren, zugeschickt und sie rüttelten meinen Pazifismus aus seiner beschämenden Lethargie wach. [...]
Ich fuhr von Jeanne ungeduldig erwartet auf einen glühendheißen Monat nach Starnberg. In Bayern fühlte man sehr viel weniger vom Kriege als bei uns daheim, aber es kamen viele Todesnachrichten.
(Ebda., 223.)