Olga Hayn-Höchstädter

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Damen des Männer-Turnvereins München 1879 als Pflegerinnen, 1914. Gruppenbild vor dem Vereinslazarett in der Turnhalle des Männerturnvereins an der Häberlstraße. Sign.: C 1914474 (Münchner Stadtarchiv)

Allein im August 1914 wurden in Deutschland rund eineinhalb Millionen Gedichte verfasst. Nie zuvor hatte es eine solche Flut an patriotisch, nationaler „Dichtkunst“ gegeben. Die Qualität dieser Werke war höchst unterschiedlich und so baten die Münchner Neuste Nachrichten 1915 ihre Leser darum, bitte nichts mehr einzusenden.

Wir Frauen

Wir Frauen schicken unser Liebstes in das Feld,
In eine mörderisch-wilde Waffenwelt.
Voll heißer Ehrfurcht küssen wir die Hand,
Die nach dem Schwert greift für das Vaterland.

Wir leiden mit und kämpfen um den Sieg
Daheim  und teilen Not und Krieg!
All unser Denken ist ein heiß Gebet,
Da eine Welt in Brand und Fieber steht.

In grimmer Wut ballt sich die stolze Kraft,
Die für uns ringt und Sieg und Frieden schafft.
Wir hoffen still – und füllen uns´re Zeit
Mit edlen Werken der Barmherzigkeit.

Wir sprechen Trost und fühlen heiße Wunden
Wir leben schwarze, schicksalsschwere Stunden.
Der Liebste tot – aufrecht bleibt unser Sinn
Doch tropfenweis´ fließt unser Herzblut hin.

(Olga Hayn-Höchstädter: Wir Frauen. In: Münchner Neueste Nachrichten, 5. November 1916.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl