Die Kriegspflicht der Frauen: Literarische Mobilmachung
Warum sich so viele schreibende Frauen bei Kriegsbeginn in den Dienst des Krieges stellten, lässt sich aus dem herrschenden Bellizismus des beginnenden 20. Jahrhunderts erklären. Soldatentum und Heldenmut gehörten uneingeschränkt zusammen und betrafen ausschließlich Männer. Pazifismus galt als Feigheit, Landesverrat, Weichheit – Attribute, mit welchen gerade emanzipierte Frauen sich nicht belegen lassen wollten. Nicht umsonst waren es viele Frauen aus der bürgerlichen Frauenbewegung, die zu den Kriegsbefürworterinnen gehörten. Die britischen Suffragetten, die für das Frauenwahlrecht einen regelrechten Guerillakrieg gegen den Saat geführt hatten, stellten bei Kriegsbeginn alle Aktionen ein, forderten Frauen auf, sich für die Rüstung bereitzustellen und beleidigten Männer auf der Straße, die nicht in Uniform waren, mit der Übergabe von weißen Federn als Zeichen ihrer Feigheit. Es scheint fast, als wollten sie zeigen, dass Frauen die besseren Männer, sprich Soldaten, wären. „Viele empfinden das Nichtkämpfen wie eine Schuld, die sie dadurch auszugleichen suchen, dass sie den Feind mit Worten bekämpfen“, schreibt Ricarda Huch in ihrem Essay Krieg und Kunst. Die meisten Autorinnen, die sich in den Dienst der literarischen Mobilmachung stellten, changieren zwischen Hurra-Patriotismus und Chauvinismus.
Ihre Kriegserzählungen folgen dabei dem stets gleichen Muster. Im Mittelpunkt steht eine Frau, die prinzipiell gegen den Krieg ist. Bei Kriegsausbruch ist sie geschockt, leidet aber auch unter ihrem Ausgeschlossensein vom Gemeinschaftserlebnis Krieg. Ihr Bekenntnis zur Sache besteht darin, Mann oder Sohn ziehen zu lassen und damit das größte Opfer zu bringen. Allein auf sich gestellt, versieht sie nun an der Heimatfront tapfer und aufopferungsvoll ihre Pflicht und wird so Teil des großen Ganzen. Der Buchhandel überflutete in den ersten Kriegsjahren den Markt mit neuen günstigen Buchreihen, die den Krieg romantisierten. Zielpublikum waren die zuhause gebliebenen Frauen, die auf diese Weise am großen Abenteuer Krieg teilnehmen sollten. Diverse Grundannahmen ziehen sich dabei durch alle dem opportunistischen Zeitgeist verpflichteten Publikationen: Der Krieg wurde Deutschland aufgezwungen, die Gründe liegen im Hass und Neid der anderen Länder. Deutschland muss sich wehren, denn was der Feind im Land anrichten würde, wäre grauenvoll. Der deutsche Soldat hingegen siegt ohne Grausamkeit. Öffentlich gewordene Kriegsverbrechen der deutschen Armee, zum Beispiel in Belgien, werden dem Fehlverhalten der zivilen Opfer angelastet. Im Genre Liebesroman trifft der Tod nur Randfiguren, während der tapfere Held stets überlebt. Neben offen nationalistischen Tendenzen weisen all diese Veröffentlichungen ein traditionelles Rollenverständnis auf, das nun im Angesicht der Bedrohung nicht mehr in Frage gestellt wird.
(Binder, Hans-Otto [1997]: Zum Opfern bereit: Kriegsliteratur von Frauen. In: Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkrieges. Hg. v. G. Hirschfeld u.a. Klartext Essen, S. 107-128.)
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Warum sich so viele schreibende Frauen bei Kriegsbeginn in den Dienst des Krieges stellten, lässt sich aus dem herrschenden Bellizismus des beginnenden 20. Jahrhunderts erklären. Soldatentum und Heldenmut gehörten uneingeschränkt zusammen und betrafen ausschließlich Männer. Pazifismus galt als Feigheit, Landesverrat, Weichheit – Attribute, mit welchen gerade emanzipierte Frauen sich nicht belegen lassen wollten. Nicht umsonst waren es viele Frauen aus der bürgerlichen Frauenbewegung, die zu den Kriegsbefürworterinnen gehörten. Die britischen Suffragetten, die für das Frauenwahlrecht einen regelrechten Guerillakrieg gegen den Saat geführt hatten, stellten bei Kriegsbeginn alle Aktionen ein, forderten Frauen auf, sich für die Rüstung bereitzustellen und beleidigten Männer auf der Straße, die nicht in Uniform waren, mit der Übergabe von weißen Federn als Zeichen ihrer Feigheit. Es scheint fast, als wollten sie zeigen, dass Frauen die besseren Männer, sprich Soldaten, wären. „Viele empfinden das Nichtkämpfen wie eine Schuld, die sie dadurch auszugleichen suchen, dass sie den Feind mit Worten bekämpfen“, schreibt Ricarda Huch in ihrem Essay Krieg und Kunst. Die meisten Autorinnen, die sich in den Dienst der literarischen Mobilmachung stellten, changieren zwischen Hurra-Patriotismus und Chauvinismus.
Ihre Kriegserzählungen folgen dabei dem stets gleichen Muster. Im Mittelpunkt steht eine Frau, die prinzipiell gegen den Krieg ist. Bei Kriegsausbruch ist sie geschockt, leidet aber auch unter ihrem Ausgeschlossensein vom Gemeinschaftserlebnis Krieg. Ihr Bekenntnis zur Sache besteht darin, Mann oder Sohn ziehen zu lassen und damit das größte Opfer zu bringen. Allein auf sich gestellt, versieht sie nun an der Heimatfront tapfer und aufopferungsvoll ihre Pflicht und wird so Teil des großen Ganzen. Der Buchhandel überflutete in den ersten Kriegsjahren den Markt mit neuen günstigen Buchreihen, die den Krieg romantisierten. Zielpublikum waren die zuhause gebliebenen Frauen, die auf diese Weise am großen Abenteuer Krieg teilnehmen sollten. Diverse Grundannahmen ziehen sich dabei durch alle dem opportunistischen Zeitgeist verpflichteten Publikationen: Der Krieg wurde Deutschland aufgezwungen, die Gründe liegen im Hass und Neid der anderen Länder. Deutschland muss sich wehren, denn was der Feind im Land anrichten würde, wäre grauenvoll. Der deutsche Soldat hingegen siegt ohne Grausamkeit. Öffentlich gewordene Kriegsverbrechen der deutschen Armee, zum Beispiel in Belgien, werden dem Fehlverhalten der zivilen Opfer angelastet. Im Genre Liebesroman trifft der Tod nur Randfiguren, während der tapfere Held stets überlebt. Neben offen nationalistischen Tendenzen weisen all diese Veröffentlichungen ein traditionelles Rollenverständnis auf, das nun im Angesicht der Bedrohung nicht mehr in Frage gestellt wird.
(Binder, Hans-Otto [1997]: Zum Opfern bereit: Kriegsliteratur von Frauen. In: Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkrieges. Hg. v. G. Hirschfeld u.a. Klartext Essen, S. 107-128.)