Franz Marc: Ein guter Europäer

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Am Fuße der Höhe 304 (bei Malancourt-Haucourt), 1916. In: Die Große Zeit. Illustrierte Kriegsgeschichte. Bd. 2, Berlin 1920, S. 212.

Wiewohl Marc die Front durchaus als Belastung empfindet, fühlt er sich dieser zugleich moralisch verpflichtet. In einem Brief vom 24. Dezember 1914 schreibt er: „Was mir das Soldatenleben schwer macht, (– es wäre in München das Gleiche), daß ich neben und zwischen den Dienst hindurch immer andere Gedanken u. Pflichten im Kopf habe und den Dienst immer gegen meine Kopfarbeit u. diese gegen den Dienst ausspielen muß.“ (Franz Marc: Briefe aus dem Feld 1914-1916, S. 53)

Im letzten Teil der Briefe schimmern jedoch immer wieder Eindrücke des Grauens und der Melancholie, von der Marc umgeben ist, durch. Gegenüber Lisbeth Macke, August Mackes Frau, bezeichnet Franz Marc den Krieg einmal als den „gemeinsten Menschenfang, dem wir uns ergeben haben“. Allerdings setzt Marc selbst dort, wo er die Kriegsrealität wahrnimmt und realistisch schildert, diese in einen höheren Kontext fernab historisch-politischer Zusammenhänge, da Krieg für ihn ein „Naturereignis“ und schicksalhafter „Läuterungsprozess“ bedeutet, dem sich der Einzelne unterzuordnen habe: „der Krieg ist ebenso sehr Sühne als selbstgewolltes Opfer, dem sich Europa unterworfen hat, um ‚in's Reine’ zu kommen mit sich. Alles, was drum u. dran ist, ist gänzlich äußerlich u. häßlich; aber die hinausziehenden u. die sterbenden Krieger sind nicht häßlich.“ (Franz Marc: Briefe aus dem Feld 1914-1916, S. 73). Seine Hoffnung ist auf eine neue Welt, ein besseres Europa gerichtet. In der am 15. Dezember 1914 in der Vossischen Zeitung erschienenen Schrift Im Fegefeuer des Krieges heißt es:

Soll der Krieg uns das bringen, was wir ersehnen und das in einem Verhältnis zu unseren Opfern steht – der Atem stockt vor dieser Riesengleichung – wird sie aufgehen? –, so müssen wir Deutsche nichts leidenschaftlicher meiden als die Enge des Herzens und des nationalen Wollens. Sie verdürbe uns alles. Wer hat, dem wird gegeben werden. Nur mit dieser Devise werden wir auch geistig die Sieger bleiben und die ersten Europäer sein. Der kommende Typ des Europäers wird der deutsche Typ sein; aber zuvor muß der Deutsche ein guter Europäer werden.

(zit. n. Franz Marc: Briefe aus dem Feld 1914-1916, S. 13)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik