Schwabings erste WG

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Küche der WG, Kaulbachstraße 63

Franz Hessel gehört zu den Mitbegründern von Schwabings erster Wohngemeinschaft. Während seines Studiums lebt er von 1903 bis 1906 zusammen mit Franziska zu Reventlow, deren Sohn Rolf und ihrem Geliebten, dem Maler Bohdan von Suchocki, in der Kaulbachstraße 63.

Wir drei wollen zusammenziehen, Such, Hessel und ich, mit möglichst separierten Räumen, eventuell sogar verschiedenen Wohnungen im selben Haus, aber gemeinsame Küche, der Such und ich abwechselnd vorstehen werden etc. – Mit dem, was Hessel besitzt und Such verdient, kommen wir so heraus, dass ich ganz umsonst lebe und nichts zu tun brauche, wie dem Haushalt etwas auf die Finger sehen. [...]

Ich bin sicher, mit diesen beiden meine Alleinheit wahren zu können, wie ich's brauche, und mich dabei recht gründlich verwöhnen zu lassen, überhaupt es sehr schön zu haben.

(Franziska Gräfin zu Reventlow: Brief an Karl Wolfskehl, Solln, 10. August 1903. In: Dies.: Briefe 1890-1917. Hg. von Else Reventlow. S. Fischer, Frankfurt am Main 1977, S. 430.)

Hessel hatte mehr Geld als die beiden anderen, und deshalb war es auch nur gerecht, dass er mehr als die anderen in die gemeinsame Kasse einzahlte. Und da er ein Schöngeist war, der lieber Gedichte schrieb, als sich mit profanen Überlegungen zur Haushaltsführung zu beschäftigen, ließen ihn Franziska und Such damit in Frieden. Hessel veranstaltete Lesungen im Haus. In Georgescher Manier – monoton, ohne Höhen, ohne Tiefen, fast liturgisch, beschwörend – rezitierte er eigene Gedichte und Gedichte anderer Autoren. Das zog sogleich diejenigen an, die sich auch sonntags zum Jour fix bei Wolfskehls einfanden – so mischten sich die Schwabinger Kreise.

(Sperr, Franziska [1999]: Die kleinste Fessel drückt mich unerträglich. Das Leben der Franziska zu Reventlow. btb, München 1999, S. 216.)

Franz Hessel selbst lässt seine Zeit in Schwabing in seinen ersten Roman Der Kramladen des Glücks einfließen, der autobiographische Züge trägt und der Gräfin eine Art Mutterrolle zuweist:

Dieser Frau gegenüber komm ich mir überhaupt wie ein Kind vor. [...] Von Männern verlangt sie wohl eine gewisse Erwachsenheit. Es sind auch viele und darunter recht mannhafte um sie herum. Und es war vielleicht etwas überflüssig, dass ich mich hinzugesellte.

(Franz Hessel: Der Kramladen des Glücks [1923], zit. nach: Wichner, Ernest; Wiesner, Herbert [1998]: Franz Hessel. Nur was uns anschaut, sehen wir. Ausstellungsbuch. Literaturhaus Berlin, S. 13.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl