Herbert Achternbusch in Ambach
Herbert Achternbusch setzt sich in seinen Filmen, Theaterstücken und Texten in provokanter Weise mit Lebensart, Mentalität und Glauben seiner bayerischen Landsleute auseinander. 1971 ist er mit seiner Familie nach Gauting am Starnberger See gezogen, später wechselt er die Uferseite ins „Ambacher Exil“. Die Eindrücke dieser Zeit verdichtet er in seinem 1977 erscheinenden Roman Land in Sicht:
Ich fahre jedes Wochenende nach Ambach und sitze beim Bierbichler im Biergarten. Neulich machte ich die Augen zu und öffnete sie wieder, und wieder stand ein neues Weißbier da. Als das 30. zu bestellen war, sagte der junge, aber erwachsene Sepp, dass er mir das spendiert, da musste ich mich ehrenhalber mit der Behauptung „Möchst mich bsuffen machen?“ entfernen. Wieder mühe ich mich ab, das Wasser des Starnberger Sees zu erblicken. Wenn die Wellen Heuschrecken wären, gäbe es die großen Uferbäume nicht mehr, die neuen Straßenlampen stünden allein da, die die Dummen der Gemeinde aufstellen ließen, damit sich das sieche Volk, das hierher zur Verjüngung kommt, nicht erfällt, sondern wiederkommt und wieder Geld bringt, damit man die Bäume und das Liebliche vernichten kann mit einer breiten Straße, auf der sich dann noch mehr Siechtum wälzt und alles erstickt. Mögen sich die Wellen nicht in Möwen verwandeln, die so mancher Leute Hirn einhacken?
[...]
Am Starnberger See kann viel Zeit vergehen, und auf einmal hast du doch wieder Lust, deinen Mund auf einen anderen zu pressen und an ihre blonde Brust zu langen, denn bald genug schreist du aus der Hölle: So einen Saustall wie ihr oben habt, können wir in der Hölle nicht brauchen. Übrigens der Erste, der zur Erde hinauffunkte, war wieder Valentin. Mir gefällt es ausgezeichnet in der Hölle, war sein erster Satz. Bayern soll der Teifl holen, schreit er, die Politik soll der Teifl holen, und das trotz Feiersalamandermarmelad und Kreuzotternkompott zum Essen. (Zit. aus: Herbert Achternbusch: Land in Sicht. Roman. Frankfurt am Main 1977, S. 84f., S.87-89, S. 93f. © Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1977)
Sekundärliteratur:
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 180ff., S. 245.
Weitere Kapitel:
Herbert Achternbusch setzt sich in seinen Filmen, Theaterstücken und Texten in provokanter Weise mit Lebensart, Mentalität und Glauben seiner bayerischen Landsleute auseinander. 1971 ist er mit seiner Familie nach Gauting am Starnberger See gezogen, später wechselt er die Uferseite ins „Ambacher Exil“. Die Eindrücke dieser Zeit verdichtet er in seinem 1977 erscheinenden Roman Land in Sicht:
Ich fahre jedes Wochenende nach Ambach und sitze beim Bierbichler im Biergarten. Neulich machte ich die Augen zu und öffnete sie wieder, und wieder stand ein neues Weißbier da. Als das 30. zu bestellen war, sagte der junge, aber erwachsene Sepp, dass er mir das spendiert, da musste ich mich ehrenhalber mit der Behauptung „Möchst mich bsuffen machen?“ entfernen. Wieder mühe ich mich ab, das Wasser des Starnberger Sees zu erblicken. Wenn die Wellen Heuschrecken wären, gäbe es die großen Uferbäume nicht mehr, die neuen Straßenlampen stünden allein da, die die Dummen der Gemeinde aufstellen ließen, damit sich das sieche Volk, das hierher zur Verjüngung kommt, nicht erfällt, sondern wiederkommt und wieder Geld bringt, damit man die Bäume und das Liebliche vernichten kann mit einer breiten Straße, auf der sich dann noch mehr Siechtum wälzt und alles erstickt. Mögen sich die Wellen nicht in Möwen verwandeln, die so mancher Leute Hirn einhacken?
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Am Starnberger See kann viel Zeit vergehen, und auf einmal hast du doch wieder Lust, deinen Mund auf einen anderen zu pressen und an ihre blonde Brust zu langen, denn bald genug schreist du aus der Hölle: So einen Saustall wie ihr oben habt, können wir in der Hölle nicht brauchen. Übrigens der Erste, der zur Erde hinauffunkte, war wieder Valentin. Mir gefällt es ausgezeichnet in der Hölle, war sein erster Satz. Bayern soll der Teifl holen, schreit er, die Politik soll der Teifl holen, und das trotz Feiersalamandermarmelad und Kreuzotternkompott zum Essen. (Zit. aus: Herbert Achternbusch: Land in Sicht. Roman. Frankfurt am Main 1977, S. 84f., S.87-89, S. 93f. © Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1977)
Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 180ff., S. 245.