Regina Ullmann

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbthemes/2014/klein/liebespaare_ausstellung_regina_ullmann_500.jpg
Lou Albert-Lasard: Regina Ullmann

Otto Gross propagiert Promiskuität ohne Eifersucht, ist aber erzürnt, als Else ihr Verhältnis mit Dr. Voelcker wieder aufnimmt. Else hat dafür nur wenig Verständnis und drängt Gross, seinerseits sein Verhältnis mit Regina Ullmann zu beenden.

Im Laufe des Jahres hatte er die „Behandlung“ einer Jüdin, Rega Ullmann (die schon ein illegitimes Kind hat), angefangen und überschätzte trotz des größten Widerstandes seiner Frau und seiner Freunde diese Person in unglaublicher Weise. Sie schriftstellert etwas, soll aber nicht hervorragend begabt sein. Er war aber von der Genialität der U. überzeugt und wollte ihr den Genius durch Analyse freimachen. Schließlich ließ er sich dazu hinreißen, ihr ein Kind zu zeugen. Damals nahm er größere Quantitäten von Opium. Keine Bitten und keine Vorstellungen seiner Frau hielten ihn von diesem Schritte zurück. Während dieser „Behandlung“ befand er sich immer in größter Aufregung. Analysierte die U. oft ganze Nächte hindurch und behauptete, sein Schicksal hänge von dieser Behandlung ab.

(C. G. Jung: Krankengeschichte von Otto Gross 1908 in der Psychiatrie Burghölzli, Zürich. In: Regina Ullmann. Die Landstraße. Erzählungen. Mit einem Nachwort von Peter Hamm. Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, München 2007, S. 165.)  

Die unter anderem von Rilke geförderte Dichterin erwartet zeitgleich mit Else von Richthofen und Frieda Gross ein Kind. Otto Gross weigert sich strikt, die Dichterin finanziell zu unterstützen, hinterlässt ihr stattdessen ein Fläschchen mit Gift mit der subtilen Aufforderung sich zu töten. In ihrem Roman Stein bedeutet Liebe schildert Eveline Hasler eine fiktive Begegnung der Schwangeren mit Else von Richthofen, die sich später in der Realität tatsächlich des Kindes von Regina Ullmann annehmen wird.

Else kannte das schon und sagte: „Gross hat also den Kontakt mit dir abgebrochen, seit er von deiner Schwangerschaft weiß?“ Wieder erwartete sie keine Antwort. Sie machte einen Schritt zur Fensternische, nahm erstaunt ein von Gross zurückgelassenes Fläschchen in die Hand, dem Rega keine Beachtung geschenkt hatte. „Hat Gross das hiergelassen?“ Rega nickte. „Wohl eins von seinen Medikamenten...“ „Versprich mir, dass du nichts davon nimmst!“ stieß Else mit großer Heftigkeit hervor. „Es sieht ganz danach aus, als wolle der Herr Therapeut dir zum Suizid verhelfen... Ach, die Drogen machen ihn kaputt“, murmelte sie dann, wie zu sich selbst. „Mir scheint, sie machen ihn ganz und gar verantwortungslos.

(Eveline Hasler: Stein bedeutet Liebe. Roman. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2012, S. 90.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl