Münchner Revolutionsalltag

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Nadeschda Konstaninowna Krupskaja

Wieder vereint übersiedelt das Paar als Untermieter der Arbeiterfamilie Kaiser in die Schleißheimer Straße 106.

Nach meiner Ankunft zogen wir zu einer deutschen Arbeiterfamilie. Die Familie war recht groß, sie bestand aus sechs Personen. Sie hatten nur eine Küche und eine kleine Kammer. Aber es herrschte überall peinliche Sauberkeit, die Kinder waren sehr sauber und gut erzogen. Ich beschloss, Wladimir Iljitsch mit häuslicher Kost zu versorgen, und begann selber zu kochen. Ich kochte in der Küche der Wirtsleute, musste aber alles in unserem Zimmer zubereiten. Ich bemühte mich, so wenig Geräusch wie möglich zu verursachen, denn Wladimir Iljitsch schrieb damals schon an seiner Broschüre Was tun? [...] Nach einem Monat bezogen wir eine eigene Wohnung in einem der zahlreichen großen Neubauten in der Münchner Vorstadt Schwabing, schafften uns „Mobiliar“ an (das wir bei der Abreise für insgesamt 12 Mark wieder verkauften) und lebten wieder auf unsere Art.

(Nadeschda Krupskaja In: Friedrich Hitzer: Lenin in München. Dokumentation und Bericht. Hg. von der Bayerischen Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion e.V. München. Union Verlag, Frankfurt am Main 1977, S. 463f.)

Ihre Kontakte zur „königlich bayerischen Sozialdemokratie“ beschränken sich aufs Notwendigste, zu sehr sind sie mit der Herausgabe ihrer Zeitschrift beschäftigt. Zudem sind sie mit deren Umsetzung der Weltrevolution nicht ganz einverstanden.

Ich erinnere mich an eine Maifeier. In jenem Jahr war es der deutschen Sozialdemokratie zum erstenmal gestattet worden, einen Umzug zu veranstalten, aber nur unter der Bedingung, dass man Ansammlungen innerhalb der Stadt vermeide und die Feier außerhalb veranstaltete. Und nun zogen die deutschen Sozialdemokraten in ziemlich großen Kolonnen, mit Kind und Kegel und mit den üblichen Rettichen in der Tasche, schweigend im Eilmarsch durch die Stadt, um später in einem Vorortrestaurant Bier zu trinken. Es gab keinerlei Fahnen oder Plakate. An eine Demonstration aus Anlass des Weltfeiertages der Arbeiterklasse erinnerte diese „Maifeier“ in keiner Weise.

(Nadeshda K. Krupskaja: Erinnerungen an Lenin. Dietz Verlag, Berlin 1960. S. 77.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl