Politikerinnen

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Oberammergau

Am 8. November 1918 proklamiert Kurt Eisner nicht nur den Freistaat Bayern, sondern auch das Frauenwahlrecht. Elf Tage später findet im Wagnersaal in der Sonnenstraße in München die erste große Frauenversammlung statt. Lida Gustava Heymann fordert die Gründung eines eigenen Frauenrates, der nicht nur politisch noch unorientierte Frauen unterrichten soll, sondern auch dafür Sorge tragen soll, dass Frauen Zugang zu allen Berufen und allen entscheidenden Positionen in Staat und Verwaltung erhalten. Der Frauenrat soll gewährleisten, dass auf den Wahllisten der Parteien zur Nationalversammlung immer auch eine entsprechende Anzahl Frauen vertreten ist.

Doch auch wenn die Revolution das alte politische System hinweggefegt hat, nicht alles hat sich geändert. In den Arbeiter- und Bauernräten sind kaum Frauen vertreten und auch in anderen Einrichtungen sind Frauen unterrepräsentiert. Im Provisorischen Nationalrat sind von 256 Mitgliedern nur acht Frauen. Der Unwille der Revolutionäre, ihre Macht mit den Frauen zu teilen, hat zur Folge, dass die meisten Forderungen der Frauen unerfüllt bleiben.

Bei den Landtagswahlen im Januar 1919 kandidiert die parteilose Augspurg auf der Liste der USPD. Ihre Mitstreiterinnen aus der Münchner Frauenbewegung übernehmen den Wahlkampf.

Im katholischen Teil Oberbayerns entfaltete Getrud Baer eine Wahlkampagne für sie. Versammlungen wurden in Ober- und Unterammergau, Kohlgrub, Penzberg, Peissenberg, Weilheim, Garmisch, Partenkirchen und auf vielen Dörfern abgehalten. Mit Rucksäcken beladen, die das erforderliche Propagandamaterial und eine Glocke enthielten, durchwanderten Frauen die Gegend von Dorf zu Dorf. Mit der Glocke wurde mächtig geklingelt, um die Bevölkerung in Schule oder Wirtshaus zur Versammlung zu laden [...]. Männer- wie Frauenversammlungen waren überfüllt, aber ihr Verlauf war ein sehr verschiedener. In ersteren herrschte Tabaksqualm, Bierdunst, Lärm, Pfeifen und Schreien; den durch den Krieg verrohrten Männern gebrach es an Selbstbeherrschung, Anstand und dem erforderlichen Denkvermögen. Anders die Frauen. Sie zeigten großes Interesse, richteten sachliche Fragen an die Rednerinnen, über Ehe- und Erziehungsrecht der Frau sowie ihre ökonomische Stellung im neuen Staat. Bei einigen Bäuerinnen zeigte sich das Interesse so lebendig, dass sie sich den Rednerinnen anschlossen, und mit ihnen durch hohen Schnee ins nächste Dorf stapften.

(Lida Gustava Heymann: Erlebtes Erschautes. Ebda., S. 180.)

Anita Augspurg kann bei der ersten Wahl, an der auch Frauen teilnehmen, kein Mandat erringen.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

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