Das Versagen der Dichter
Im November 1936 fuhr Lion Feuchtwanger auf Einladung des sowjetischen Schriftstellerverbandes nach Moskau. Er besuchte Fabriken, Schulen, Theater und einen der berüchtigten Schauprozesse. Später schrieb er darüber: „Die erste, billigste Vermutung ist natürlich die, die Geständnisse seien den Angeklagten durch Folterungen und durch die Drohung mit noch schlimmeren Folterungen abgepresst worden. Doch dieser Anwurf wurde widerlegt durch die offensichtliche Frische und Vitalität der Angeklagten, durch ihren gesamten physischen und geistigen Aspekt.“ (Lion Feuchtwanger: Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1993, S. 92)
Nachdem er von Stalin höchstpersönlich empfangen worden war, beschrieb Feuchtwanger den Diktator in seinem Buch Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde voll Begeisterung als Sinnbild der Vernunft. Da er seitdem in der UdSSR höchstes Ansehen genoss, wandte sich Bertolt Brecht in drei knappen, halbherzigen Briefen an ihn bezüglich des Falls Carola Neher: „Könnten Sie etwas für die Neher tun [...]?“, „Wenn Sie nach ihr fragten, würde das schon nützen“, „Haben Sie eigentlich drüben was von der Carola Neher gehört?“ (Bertolt Brecht: Briefe an Lion Feuchtwanger Mai 1937. In: Bertolt Brecht: Briefe 2. 1937-1949. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 30f.)
„Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, sich beim Sekretariat Stalins nach der Neher zu erkundigen?“ Der letzte Brief, den Brecht vermutlich nicht mehr abschickte, war mit der eindringlichen Bitte versehen, ihn vertraulich zu behandeln, da Brecht „weder ein Misstrauen gegen die Praxis der Union säen noch irgendwelchen Leuten Gelegenheit geben will solches zu behaupten.“ (Bertolt Brecht: Briefe 1913-1956. Hg. von Günter Glaeser. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981, S. 326f. Dieser Brief fehlt in der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Gesamtausgabe.) Feuchtwangers Antwort fällt eben so kurz wie herzlos aus: „Carola Neher war, während ich in M war, eingesperrt, sie soll in ein verräterisches Komplott ihres Mannes verwickelt sein. Details weiß ich nicht.“ (Karl Kröhnke: Lion Feuchtwanger – Der Ästhet in der Sowjetunion. Ein Buch nicht nur für seine Freunde. Metzler Verlag, Stuttgart 1991, S. 38) Die hellsichtigen Kritiker von Korpsgeist und Faschismus erweisen sich als blind gegenüber den Schrecken des Stalinismus. Wie viele Intellektuelle sehen sie in der Sowjetunion die einzige Kraft, sich dem Faschismus entgegenzustellen. Im Januar 1939 schreibt Brecht in sein Arbeitsjournal: „niemand [weiß] etwas von der neher, die in prag im auftrag ihres mannes trotzkistische Geschäfte abgewickelt haben soll.“ (Bertolt Brecht: Arbeitsjournal: 1938 bis 1942. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 27)
Weitere Kapitel:
Im November 1936 fuhr Lion Feuchtwanger auf Einladung des sowjetischen Schriftstellerverbandes nach Moskau. Er besuchte Fabriken, Schulen, Theater und einen der berüchtigten Schauprozesse. Später schrieb er darüber: „Die erste, billigste Vermutung ist natürlich die, die Geständnisse seien den Angeklagten durch Folterungen und durch die Drohung mit noch schlimmeren Folterungen abgepresst worden. Doch dieser Anwurf wurde widerlegt durch die offensichtliche Frische und Vitalität der Angeklagten, durch ihren gesamten physischen und geistigen Aspekt.“ (Lion Feuchtwanger: Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1993, S. 92)
Nachdem er von Stalin höchstpersönlich empfangen worden war, beschrieb Feuchtwanger den Diktator in seinem Buch Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde voll Begeisterung als Sinnbild der Vernunft. Da er seitdem in der UdSSR höchstes Ansehen genoss, wandte sich Bertolt Brecht in drei knappen, halbherzigen Briefen an ihn bezüglich des Falls Carola Neher: „Könnten Sie etwas für die Neher tun [...]?“, „Wenn Sie nach ihr fragten, würde das schon nützen“, „Haben Sie eigentlich drüben was von der Carola Neher gehört?“ (Bertolt Brecht: Briefe an Lion Feuchtwanger Mai 1937. In: Bertolt Brecht: Briefe 2. 1937-1949. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 30f.)
„Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, sich beim Sekretariat Stalins nach der Neher zu erkundigen?“ Der letzte Brief, den Brecht vermutlich nicht mehr abschickte, war mit der eindringlichen Bitte versehen, ihn vertraulich zu behandeln, da Brecht „weder ein Misstrauen gegen die Praxis der Union säen noch irgendwelchen Leuten Gelegenheit geben will solches zu behaupten.“ (Bertolt Brecht: Briefe 1913-1956. Hg. von Günter Glaeser. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981, S. 326f. Dieser Brief fehlt in der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Gesamtausgabe.) Feuchtwangers Antwort fällt eben so kurz wie herzlos aus: „Carola Neher war, während ich in M war, eingesperrt, sie soll in ein verräterisches Komplott ihres Mannes verwickelt sein. Details weiß ich nicht.“ (Karl Kröhnke: Lion Feuchtwanger – Der Ästhet in der Sowjetunion. Ein Buch nicht nur für seine Freunde. Metzler Verlag, Stuttgart 1991, S. 38) Die hellsichtigen Kritiker von Korpsgeist und Faschismus erweisen sich als blind gegenüber den Schrecken des Stalinismus. Wie viele Intellektuelle sehen sie in der Sowjetunion die einzige Kraft, sich dem Faschismus entgegenzustellen. Im Januar 1939 schreibt Brecht in sein Arbeitsjournal: „niemand [weiß] etwas von der neher, die in prag im auftrag ihres mannes trotzkistische Geschäfte abgewickelt haben soll.“ (Bertolt Brecht: Arbeitsjournal: 1938 bis 1942. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 27)