Die Geier-Wally als Kind ihrer Zeit
Mit der Figur der Geier-Wally schuf Wilhelmine von Hillern eine Identifikationsfigur für Frauen wie sie im 19. Jahrhundert selten waren. Walburga Stromminger geht unbeirrt ihren eigenen Weg, was sich vor allem im Konflikt mit dem hartherzigen Vater zeigt: „‚Nein, Vater‘, sprach Wally, ‚so is des nit abgetan. I bin kei Stück´l Vieh, das sich verkaufen oder versprechen lassen muss, wie der Herr will. I mein, i hätt au noch a Wort mitz´reden, wann´s ans Heiraten geht.‘“ (Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 33) Für ihre innere Überzeugung nimmt Wally Verbannung und Ausschluss aus der Gesellschaft in Kauf und findet letztlich in der Natur zu sich selbst:
Sie gewöhnte sich allmählich an die Einsamkeit, und sie wurde ihr lieb und traut [...] Hier oben konnte Wallys unbändiger Sinn uneingeschränkt auswuchern, hier oben war für sie volle Freiheit; kein Mensch war da, ihr zu widersprechen, kein fremder Wille stellte sich ihr entgegen, und als das einzige denkende Wesen weit und breit fühlte sie sich allmählich eine Königin auf ihrem einsamen hohen Throne, eine Herrscherin in dem unermesslichen, stillen Reich, das ihr Auge schaute.
(Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 55)
Von Hillern belegt Wally mit Attributen, die man in jener Zeit einzig Männern zuschrieb: Mut, Stärke und Kraft. Sie zeigt jedoch auch auf, was es in einer frauenfeindlichen Gesellschaft bedeutet, derartige Eigenschaften zu besitzen: „Ach, wissen S´, i mag so Madeln nit – die halbe Buab´n sind.“ (Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 7). Am Ende des Romans schwenkt von Hillern deshalb auf die konventionelle Geschlechterhierarchie ihrer Zeit ein. Was als Geschichte einer starken Frau beginnt, endet in der Erkenntnis, dass einzig durch die Unterordnung beide Geschlechter glücklich werden können. Und so wird die Geschichte zu einer volkstümlichen Variante der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare.
Dei Magd will i sein, nit dei Weib, auf deiner Schwell'n will i schlafen, nit an deiner Seit – arbeiten will i für dich und dir dienen – und dir tun, was i dir an die Augen abseh'n kann. – Und wann'st d' mich schlagst, will i dir d' Hand küssen, und wann'st d' mich trittst, will i deine Knie umfassen – und wann d' mir nix gönnst als 'n Hauch von dei'm Mund und 'n Blick und a Wort, so will i z'frieden sein – so is's scho mehr als i verdien!" , sagt Wally am Ende, als Joseph ihr sagt, dass er sie liebt.
(Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 232)
Weitere Kapitel:
Mit der Figur der Geier-Wally schuf Wilhelmine von Hillern eine Identifikationsfigur für Frauen wie sie im 19. Jahrhundert selten waren. Walburga Stromminger geht unbeirrt ihren eigenen Weg, was sich vor allem im Konflikt mit dem hartherzigen Vater zeigt: „‚Nein, Vater‘, sprach Wally, ‚so is des nit abgetan. I bin kei Stück´l Vieh, das sich verkaufen oder versprechen lassen muss, wie der Herr will. I mein, i hätt au noch a Wort mitz´reden, wann´s ans Heiraten geht.‘“ (Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 33) Für ihre innere Überzeugung nimmt Wally Verbannung und Ausschluss aus der Gesellschaft in Kauf und findet letztlich in der Natur zu sich selbst:
Sie gewöhnte sich allmählich an die Einsamkeit, und sie wurde ihr lieb und traut [...] Hier oben konnte Wallys unbändiger Sinn uneingeschränkt auswuchern, hier oben war für sie volle Freiheit; kein Mensch war da, ihr zu widersprechen, kein fremder Wille stellte sich ihr entgegen, und als das einzige denkende Wesen weit und breit fühlte sie sich allmählich eine Königin auf ihrem einsamen hohen Throne, eine Herrscherin in dem unermesslichen, stillen Reich, das ihr Auge schaute.
(Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 55)
Von Hillern belegt Wally mit Attributen, die man in jener Zeit einzig Männern zuschrieb: Mut, Stärke und Kraft. Sie zeigt jedoch auch auf, was es in einer frauenfeindlichen Gesellschaft bedeutet, derartige Eigenschaften zu besitzen: „Ach, wissen S´, i mag so Madeln nit – die halbe Buab´n sind.“ (Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 7). Am Ende des Romans schwenkt von Hillern deshalb auf die konventionelle Geschlechterhierarchie ihrer Zeit ein. Was als Geschichte einer starken Frau beginnt, endet in der Erkenntnis, dass einzig durch die Unterordnung beide Geschlechter glücklich werden können. Und so wird die Geschichte zu einer volkstümlichen Variante der Widerspenstigen Zähmung von William Shakespeare.
Dei Magd will i sein, nit dei Weib, auf deiner Schwell'n will i schlafen, nit an deiner Seit – arbeiten will i für dich und dir dienen – und dir tun, was i dir an die Augen abseh'n kann. – Und wann'st d' mich schlagst, will i dir d' Hand küssen, und wann'st d' mich trittst, will i deine Knie umfassen – und wann d' mir nix gönnst als 'n Hauch von dei'm Mund und 'n Blick und a Wort, so will i z'frieden sein – so is's scho mehr als i verdien!" , sagt Wally am Ende, als Joseph ihr sagt, dass er sie liebt.
(Wilhelmine von Hillern: Die Geier-Wally. Eine Geschichte aus den Tiroler Bergen. Fackelverlag, Olten u.a. 1964, S. 232)