Dramatiker als Gesellschaftskritiker: Franz Xaver Kroetz

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Franz Xaver Kroetz um 1970 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)

Auch Franz Xaver Kroetz nutzt die Bühne zur Gesellschaftskritik. In seinen mehr als 60 Theaterstücken wirft Kroetz Schlaglichter auf dörfliche Enge und kleinbürgerliche Heuchelei. In Stallerhof prangerte er 1971 den Umgang der Gesellschaft mit behinderten Menschen an.

In der Stube. Stallerin beim Kochen. Beppi mit einer Ansichtskarte. Geschirr.

STALLERIN Von der Taufpatin aus München. Lies.

BEPPI Tante Hilda.

STALLERIN Gschriebn hats dir, weils an dich denkt.

[...]

BEPPI liest: Mei-ne liebe Beppi! Lächelt. Bal-d kommen mir-

STALLERIN wischt ihr eine: Wie heißt das?

BEPPI liest: Bald kommen – ww  wir dich besu-chen. Lächelt... wenn mir

STALLERIN wie oben: Schon wieder. Die Augn sollst aufmachn.

(Franz Xaver Kroetz: Stallerhof. Stück in drei Akten. 1. Akt, 1. Szene. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1973, S. 10)

In Heimarbeit aus demselben Jahr zeigt Kroetz das unaufhaltbare Drama einer Kleinfamilie, samt Abtreibungsversuch eines unehelichen Kindes mit Hilfe einer Stricknadel und einer späteren Kindstötung. Wildwechsel, verfilmt von Rainer Werner Fassbinder, leuchtete hinter die Kulissen von kleinbürgerlichem Mief und überkommenem Moralismus. Immer wieder greift Kroetz bei seinen Themen auf aktuelle oder historische Fälle zurück, die er für die Bühne adaptiert und dem Betrachter dadurch neue, auch unangenehme Perspektiven aufdrängt. So geschehen in seinem Stück Du hast gewackelt. Requiem für ein geliebtes Kind, das aus Täterperspektive einen Kindesmissbrauch schildert.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

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