Dramatiker als Gesellschaftskritiker: Martin Sperr
Marieluise Fleißer betrachtete sie als ihre Söhne: Martin Sperr, Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz. Alle drei nutzten Bühne und Film, um ihre Kritik an Nachkriegsdeutschland virulent zu machen.
Der Dramatiker Martin Sperr prangerte in seinen sozialkritischen Volksstücken Missstände und Verfehlungen an. Schon sein erstes Theaterstück Jagdszenen aus Niederbayern (1965) wurde zum Politikum. Sperr beschrieb darin die Bigotterie und Heuchelei innerhalb einer dörflichen Gemeinschaft und die Hetz- und Verleumdungsaktionen, denen Menschen ausgesetzt sind, die sich entschließen, anders zu leben und anders zu sein. Sie alle werden zu Außenseitern und geraten durch ihr verzweifeltes Bemühen, ihr Stigma zu überwinden, in einen Strudel aus Lüge und Gewalt, deren eigentliche Opfer sie sind.
ZENTA: Ja. – Der Peppo war gestern da. Also, alles, was ich von ihm erfahren hab, ist, dass der Abram in Wendelskirchen ins Gefängnis gekommen ist, weil er da so Sachen gemacht hat mit dem Knecht vom Gruber.
[...]
ZENTA: Ich komm nur darauf zu sprechen, weil ihn die Paula, die bei der Metzgerin wohnt, in Landshut am Mittwoch gewesen hat, an einem Ort, wo nur solche Männer sind. Sie sagt, da hat sie den gesehen der seit zwei Wochen bei der Maria wohnt. Und das ist der Abram. Und wie lang ist er in Landshut? Eine Woch! Es kann also stimmen, was der Peppo sagt.- Ich sag dir, das ist einer, der treibst mit Männern. So einer ist das. Und er ist der Sohn der Barbara, das weiß ich ganz bestimmt. Vom Peppo.
BARBARA: Dass das Gered aufhört: er ist nicht mein Kind.
(Martin Sperr: Bayerische Trilogie. Jagdszenen aus Niederbayern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1972, S. 10)
Jagdszenen aus Niederbayern, das 1948 spielt, gehört zu Sperrs Trilogie über die bayerische Nachkriegszeit in Dorf, Kleinstadt und Metropole. 1967 erschienen die Landshuter Erzählungen, die in den 1950er-Jahren angesiedelt sind und neben dem Konkurrenzkampf zweier Bauunternehmer auch den latent vorhandenen Rassismus und Faschismus einer Kleinstadt schildern. In Münchner Freiheit von 1970 schließlich kritisiert er auf satirische Art Grundstücksspekulation und Wohnraumzerstörung – ein zeitlos aktuelles Thema.
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Marieluise Fleißer betrachtete sie als ihre Söhne: Martin Sperr, Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz. Alle drei nutzten Bühne und Film, um ihre Kritik an Nachkriegsdeutschland virulent zu machen.
Der Dramatiker Martin Sperr prangerte in seinen sozialkritischen Volksstücken Missstände und Verfehlungen an. Schon sein erstes Theaterstück Jagdszenen aus Niederbayern (1965) wurde zum Politikum. Sperr beschrieb darin die Bigotterie und Heuchelei innerhalb einer dörflichen Gemeinschaft und die Hetz- und Verleumdungsaktionen, denen Menschen ausgesetzt sind, die sich entschließen, anders zu leben und anders zu sein. Sie alle werden zu Außenseitern und geraten durch ihr verzweifeltes Bemühen, ihr Stigma zu überwinden, in einen Strudel aus Lüge und Gewalt, deren eigentliche Opfer sie sind.
ZENTA: Ja. – Der Peppo war gestern da. Also, alles, was ich von ihm erfahren hab, ist, dass der Abram in Wendelskirchen ins Gefängnis gekommen ist, weil er da so Sachen gemacht hat mit dem Knecht vom Gruber.
[...]
ZENTA: Ich komm nur darauf zu sprechen, weil ihn die Paula, die bei der Metzgerin wohnt, in Landshut am Mittwoch gewesen hat, an einem Ort, wo nur solche Männer sind. Sie sagt, da hat sie den gesehen der seit zwei Wochen bei der Maria wohnt. Und das ist der Abram. Und wie lang ist er in Landshut? Eine Woch! Es kann also stimmen, was der Peppo sagt.- Ich sag dir, das ist einer, der treibst mit Männern. So einer ist das. Und er ist der Sohn der Barbara, das weiß ich ganz bestimmt. Vom Peppo.
BARBARA: Dass das Gered aufhört: er ist nicht mein Kind.
(Martin Sperr: Bayerische Trilogie. Jagdszenen aus Niederbayern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1972, S. 10)
Jagdszenen aus Niederbayern, das 1948 spielt, gehört zu Sperrs Trilogie über die bayerische Nachkriegszeit in Dorf, Kleinstadt und Metropole. 1967 erschienen die Landshuter Erzählungen, die in den 1950er-Jahren angesiedelt sind und neben dem Konkurrenzkampf zweier Bauunternehmer auch den latent vorhandenen Rassismus und Faschismus einer Kleinstadt schildern. In Münchner Freiheit von 1970 schließlich kritisiert er auf satirische Art Grundstücksspekulation und Wohnraumzerstörung – ein zeitlos aktuelles Thema.