Studentenbewegung literarisch: Bernward Vesper, „Die Reise“
Es waren 1968er-Revolutionäre selbst, die als Schriftsteller die Kultromane und zugleich das literarische Vermächtnis der Bewegung verfassten. Einer der berühmtesten Texte stammt von Bernward Vesper, Sohn des völkischen Dichters Will Vesper und Verlobter von Gudrun Ensslin. Er schrieb 1969 den autobiographischen Romanessay Die Reise. In diesem Fragment verarbeitete Vesper nicht nur das problematische Verhältnis zu seinem Vater, sondern auch seine eigene politische Überzeugung.
Diese Aufzeichnungen folgen nicht im geringsten einer Assoziationstechnik. Sie haben nichts mit Kunst oder Literatur zu tun. Ich bin darauf angewiesen, die Spitzen der Eisberge wahrzunehmen. Das ist alles. Es interessiert mich nicht, ob sich jemand durchfindet oder besser, ich habe es aufgegeben, zugleich genau und verständlich zu sein. Ich interessiere mich ausschließlich für mich und meine Geschichte.
(Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay. März bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1978, S. 26)
Nach Ende der Bewegung erlebte Vesper 1969 in München bei einem LSD-Trip, wie sich eine Baumaschine in eine mythische Gestalt verwandelte. Er begann seine Drogentrips niederzuschreiben.
Wir fahren kreuz und quer durch Schwabing, endlose Umleitungen, landen immer wieder auf der Leopoldstraße, kommen schließlich in die Schellingstraße, Türkenstraße. Ich parke, schließe den Wagen ab, wir suchen nach dem Haus Nummer 68 a. [...] Wir schlenderten die Türkenstraße entlang, sehen in die Schaufenster, belustigen uns über die ausgestellten Dinge. Wahnsinnig, was die Menschen alles herstellen und verkaufen! In welchen kleinen Budiken! Was für Existenzen! Vor dem Antiquitätenladen bleiben wir plötzlich stehen: die Dinge kommen auf uns zu die Dinge sind da, treten in uns ein, erfüllen uns, sprengen uns, vernichten uns, breiten sich aus [...].
(Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay. März bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1978, S. 40f.)
1977, im Zuge des Deutschen Herbstes veröffentlicht, gilt Die Reise als der literarische Nachlass der 1968er schlechthin. Bernward Vesper war da schon lange tot. 1971 auf einer Reise nach München erlitt er einen schizoiden Schub. Er wurde in die Psychiatrische Klinik in Haar eingeliefert. Noch im selben Jahr nahm er sich das Leben.
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Es waren 1968er-Revolutionäre selbst, die als Schriftsteller die Kultromane und zugleich das literarische Vermächtnis der Bewegung verfassten. Einer der berühmtesten Texte stammt von Bernward Vesper, Sohn des völkischen Dichters Will Vesper und Verlobter von Gudrun Ensslin. Er schrieb 1969 den autobiographischen Romanessay Die Reise. In diesem Fragment verarbeitete Vesper nicht nur das problematische Verhältnis zu seinem Vater, sondern auch seine eigene politische Überzeugung.
Diese Aufzeichnungen folgen nicht im geringsten einer Assoziationstechnik. Sie haben nichts mit Kunst oder Literatur zu tun. Ich bin darauf angewiesen, die Spitzen der Eisberge wahrzunehmen. Das ist alles. Es interessiert mich nicht, ob sich jemand durchfindet oder besser, ich habe es aufgegeben, zugleich genau und verständlich zu sein. Ich interessiere mich ausschließlich für mich und meine Geschichte.
(Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay. März bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1978, S. 26)
Nach Ende der Bewegung erlebte Vesper 1969 in München bei einem LSD-Trip, wie sich eine Baumaschine in eine mythische Gestalt verwandelte. Er begann seine Drogentrips niederzuschreiben.
Wir fahren kreuz und quer durch Schwabing, endlose Umleitungen, landen immer wieder auf der Leopoldstraße, kommen schließlich in die Schellingstraße, Türkenstraße. Ich parke, schließe den Wagen ab, wir suchen nach dem Haus Nummer 68 a. [...] Wir schlenderten die Türkenstraße entlang, sehen in die Schaufenster, belustigen uns über die ausgestellten Dinge. Wahnsinnig, was die Menschen alles herstellen und verkaufen! In welchen kleinen Budiken! Was für Existenzen! Vor dem Antiquitätenladen bleiben wir plötzlich stehen: die Dinge kommen auf uns zu die Dinge sind da, treten in uns ein, erfüllen uns, sprengen uns, vernichten uns, breiten sich aus [...].
(Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay. März bei Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1978, S. 40f.)
1977, im Zuge des Deutschen Herbstes veröffentlicht, gilt Die Reise als der literarische Nachlass der 1968er schlechthin. Bernward Vesper war da schon lange tot. 1971 auf einer Reise nach München erlitt er einen schizoiden Schub. Er wurde in die Psychiatrische Klinik in Haar eingeliefert. Noch im selben Jahr nahm er sich das Leben.