Viva-Maria-Gruppe
Die Geschichte der legendären Kommune 1 begann am oberbayerischen Kochelsee. Hier traf sich in einer komfortablen Villa am See mit riesigem Park im Juni 1966 die sogenannte Viva-Maria-Gruppe. Die Villa gehörte einem reichen Textilkaufmann aus Krefeld, Vater von SDS-Mitglied Lothar Menne. Es gab nicht wenige Großbürgerkinder im Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS und Genosse Lothar Menne war eines davon. Ein Hausmeisterehepaar kümmerte sich um die 16 Gäste, die aus Berlin und München angereist waren: Neun Männer, fünf Frauen und zwei Kinder. Die Besucher waren Mitglieder des Münchner und Berliner SDS. Ihren Namen Viva-Maria-Gruppe leiteten sie von dem gleichnamigen Film von Louis Malle mit Brigitte Bardot und Jean Moreau ab. Der Film um zwei Stripteasetänzerinnen, die sich im Mexiko des 19. Jahrhunderts an die Spitze einer Bauernrevolution setzten, war ein Klassiker innerhalb der Studentenbewegung.
Die Aktivisten, die sich am Kochelsee trafen, waren höchst unzufrieden damit, dass man zwar tagsüber Revolution machte, abends jedoch mit seinen alltäglichen Sorgen alleine blieb. Neben den Arbeitskreisen und Demonstrationen gab es eine private Existenz, die angefüllt war mit Angst, Glück, kaputten Liebesbeziehungen, überforderten Müttern, Angst vor Prüfungen etc. Die Frage die man sich stellte war, ob nicht in den unbeachteten Winkeln des privaten Lebens, das jeder für sich alleine führte, das Reaktionäre überleben konnte, da die Vereinzelung des Menschen so groß war. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum die Revolution nicht vorankam. Treibende Kraft diese Vereinzelung zu überwinden war Dieter Kunzelmann, Schwabings berühmtester Revoluzzer.
Nun ging es ganz konkret um folgende Fragen: Wie ziehen wir zusammen? Welche Form von Wohnung nehmen wir? Bauen wir uns ein Haus? Wer wird dort ein Zimmer haben? Wird in diesen Zimmern rotiert oder soll man sein eigenes Zimmer beziehen? Soll es feste Partnerschaft geben? Soll es eine offene Sexualität geben? Was ist Liebe?
Kommunemitglied Ulrich Enzensberger, Bruder von Hans Magnus Enzensberger, schreibt in seinen Erinnerungen über das Treffen in Kochel:
Weiß der Teufel was in Kochel alles ausgekocht wurde! [...]
„Das Entscheidende“, ich höre seine Stimme, die Stimme unseres Kommunevaters, „das Entscheidende an Kochel“ war doch nur das eine: Der gotteslästerliche Situationist mit dem fuchsroten Bart, der Schöpfer des eschatologischen Ordinationsprogramms, der berüchtigte Homo subversivus der dynamischen Soziologie usw. usf. beschloss, sein geliebtes Schwabing zu räumen, und in die alte Reichshauptstadt zu ziehen: „Berlin war reif für ein Spektakel.“
(Ulrich Enzensberger: Die Jahre der Kommune I. Berlin 1967-1969. Goldmann Verlag, München 2006, S. 70)
Weitere Kapitel:
Die Geschichte der legendären Kommune 1 begann am oberbayerischen Kochelsee. Hier traf sich in einer komfortablen Villa am See mit riesigem Park im Juni 1966 die sogenannte Viva-Maria-Gruppe. Die Villa gehörte einem reichen Textilkaufmann aus Krefeld, Vater von SDS-Mitglied Lothar Menne. Es gab nicht wenige Großbürgerkinder im Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS und Genosse Lothar Menne war eines davon. Ein Hausmeisterehepaar kümmerte sich um die 16 Gäste, die aus Berlin und München angereist waren: Neun Männer, fünf Frauen und zwei Kinder. Die Besucher waren Mitglieder des Münchner und Berliner SDS. Ihren Namen Viva-Maria-Gruppe leiteten sie von dem gleichnamigen Film von Louis Malle mit Brigitte Bardot und Jean Moreau ab. Der Film um zwei Stripteasetänzerinnen, die sich im Mexiko des 19. Jahrhunderts an die Spitze einer Bauernrevolution setzten, war ein Klassiker innerhalb der Studentenbewegung.
Die Aktivisten, die sich am Kochelsee trafen, waren höchst unzufrieden damit, dass man zwar tagsüber Revolution machte, abends jedoch mit seinen alltäglichen Sorgen alleine blieb. Neben den Arbeitskreisen und Demonstrationen gab es eine private Existenz, die angefüllt war mit Angst, Glück, kaputten Liebesbeziehungen, überforderten Müttern, Angst vor Prüfungen etc. Die Frage die man sich stellte war, ob nicht in den unbeachteten Winkeln des privaten Lebens, das jeder für sich alleine führte, das Reaktionäre überleben konnte, da die Vereinzelung des Menschen so groß war. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum die Revolution nicht vorankam. Treibende Kraft diese Vereinzelung zu überwinden war Dieter Kunzelmann, Schwabings berühmtester Revoluzzer.
Nun ging es ganz konkret um folgende Fragen: Wie ziehen wir zusammen? Welche Form von Wohnung nehmen wir? Bauen wir uns ein Haus? Wer wird dort ein Zimmer haben? Wird in diesen Zimmern rotiert oder soll man sein eigenes Zimmer beziehen? Soll es feste Partnerschaft geben? Soll es eine offene Sexualität geben? Was ist Liebe?
Kommunemitglied Ulrich Enzensberger, Bruder von Hans Magnus Enzensberger, schreibt in seinen Erinnerungen über das Treffen in Kochel:
Weiß der Teufel was in Kochel alles ausgekocht wurde! [...]
„Das Entscheidende“, ich höre seine Stimme, die Stimme unseres Kommunevaters, „das Entscheidende an Kochel“ war doch nur das eine: Der gotteslästerliche Situationist mit dem fuchsroten Bart, der Schöpfer des eschatologischen Ordinationsprogramms, der berüchtigte Homo subversivus der dynamischen Soziologie usw. usf. beschloss, sein geliebtes Schwabing zu räumen, und in die alte Reichshauptstadt zu ziehen: „Berlin war reif für ein Spektakel.“
(Ulrich Enzensberger: Die Jahre der Kommune I. Berlin 1967-1969. Goldmann Verlag, München 2006, S. 70)