Ein amerikanischer Beobachter
Der amerikanische Schriftsteller Ben Hecht war von dem Chicago Daily Journal nach Deutschland geschickt worden, um über die Revolution zu berichten. Kurz vor Beginn der Münchner Räterepublik traf Hecht in München ein, um die Anführer der Revolution zu interviewen. In seinem Buch Revolution in der Teekanne schildert er seine Eindrücke:
Der Verrückteste aus der Gruppe war Mühsam. [...]
Mühsam war in Ungnade gefallen, weil er auf den Straßen Ärger verursacht hatte. Er hatte einen kleinen Lastwagen zu seinem eigenen Bedarf abkommandiert. Damit unternahm er Rundreisen durch Münchens Straßen. Wann immer er eine Menschenmenge sah, hielt er seinen Wagen an, stellte sich auf den Sitz und begann eine Ansprache [...]. Tausende von Arbeitern bummelten noch durch die Straßen, als ob ein Picknick und keine Revolution stattfände. Sie fassten eine Abneigung gegenüber ihrem lyrischen Sprecher. Sobald er ein Gedicht zu rezitieren anfing, hoben sie an zu schreien und schwenkte ihre Gewehre. Verschiedene Male hatten sie seinen Lastwagen gestürmt und ihn von seiner Bühne heruntergerissen.
(Ben Hecht: Revolution in der Teekanne. Geschichten aus Deutschland 1919. Wolke Verlag, Hofheim 1989, S. 66)
Schließlich übertrug man Erich Mühsam die Abteilung Osteuropapolitik im Außenministerium. Wie Ben Hecht schreibt, hoffte man, ihn dadurch von weiteren öffentlichen Auftritten in München abzubringen.
Mühsam war entzückt von der Ernennung, aber er weigerte sich, München zu verlassen. Er begab sich statt dessen nach Hause und begann damit, lange unterwürfige Briefe an Lenin zu schreiben. Er unterzeichnete sie: „Mühsam, Dichter der Revolution und bayerischer Minister für Moskau.“
Rudi, als Zensor, konfiszierte die Briefe und zerriss sie.
„Ich lasse den Idioten in Freiheit“, sagte Rudi zu mir, „wenn Sie bei Ihrer Ehre versprechen, keines seiner Gedichte nach Amerika zu schicken. Sie würden unsere Revolution in Verruf bringen.“
(Ben Hecht: Revolution in der Teekanne. Geschichten aus Deutschland 1919. Wolke Verlag, Hofheim 1989, S. 66)
Weitere Kapitel:
Der amerikanische Schriftsteller Ben Hecht war von dem Chicago Daily Journal nach Deutschland geschickt worden, um über die Revolution zu berichten. Kurz vor Beginn der Münchner Räterepublik traf Hecht in München ein, um die Anführer der Revolution zu interviewen. In seinem Buch Revolution in der Teekanne schildert er seine Eindrücke:
Der Verrückteste aus der Gruppe war Mühsam. [...]
Mühsam war in Ungnade gefallen, weil er auf den Straßen Ärger verursacht hatte. Er hatte einen kleinen Lastwagen zu seinem eigenen Bedarf abkommandiert. Damit unternahm er Rundreisen durch Münchens Straßen. Wann immer er eine Menschenmenge sah, hielt er seinen Wagen an, stellte sich auf den Sitz und begann eine Ansprache [...]. Tausende von Arbeitern bummelten noch durch die Straßen, als ob ein Picknick und keine Revolution stattfände. Sie fassten eine Abneigung gegenüber ihrem lyrischen Sprecher. Sobald er ein Gedicht zu rezitieren anfing, hoben sie an zu schreien und schwenkte ihre Gewehre. Verschiedene Male hatten sie seinen Lastwagen gestürmt und ihn von seiner Bühne heruntergerissen.
(Ben Hecht: Revolution in der Teekanne. Geschichten aus Deutschland 1919. Wolke Verlag, Hofheim 1989, S. 66)
Schließlich übertrug man Erich Mühsam die Abteilung Osteuropapolitik im Außenministerium. Wie Ben Hecht schreibt, hoffte man, ihn dadurch von weiteren öffentlichen Auftritten in München abzubringen.
Mühsam war entzückt von der Ernennung, aber er weigerte sich, München zu verlassen. Er begab sich statt dessen nach Hause und begann damit, lange unterwürfige Briefe an Lenin zu schreiben. Er unterzeichnete sie: „Mühsam, Dichter der Revolution und bayerischer Minister für Moskau.“
Rudi, als Zensor, konfiszierte die Briefe und zerriss sie.
„Ich lasse den Idioten in Freiheit“, sagte Rudi zu mir, „wenn Sie bei Ihrer Ehre versprechen, keines seiner Gedichte nach Amerika zu schicken. Sie würden unsere Revolution in Verruf bringen.“
(Ben Hecht: Revolution in der Teekanne. Geschichten aus Deutschland 1919. Wolke Verlag, Hofheim 1989, S. 66)