Die Revolution

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Kundgebung am 7. November 1918 auf der Theresienwiese (Bayerische Staatsbibliothek/Hoffmann)

Für den 7. November 1918 kündete die USPD eine Kundgebung auf der Theresienwiese an. Die SPD schloss sich an, um die Führung über die Münchner Arbeiterschaft nicht zu verlieren. Sie wollte die Revolution verhindern, sah sich durch angekündigte königliche Reformen kurz vor Übernahme der Macht. SPD-Vorsitzender Erhard Auer sprach vor der Bavaria, USPD-Führer Kurt Eisner vor dem Hackerbräu. Nachdem die Kundgebung beendet war zog ein Teil der Menge mit Auer zum Friedensengel und ging nach Hause. Der Großteil der Menge aber marschierte mit Kurt Eisner in Richtung Kasernen. Ohne einen einzigen Schuss abzugeben, übernahmen die Revolutionäre Kaserne um Kaserne. Mit fliegenden Fahnen liefen die Soldaten zu den Aufständischen über, wie der Schriftsteller und Augenzeuge Friedrich Burschell am Beispiel der Türkenkaserne zeigt:

Die Pforten waren geschlossen, man klopfte und pochte, niemand antwortete, und dann erschienen oben, aus den Mannschaftsstuben, die Köpfe von meist ganz jungen Soldaten, die herunterschauten. Sie fragten: „Was ist los?“ – „Was wird los sein? Revolution ist!“ schrien die von unten. Dann: „Runterkommen sollt ihr! Runterkommen!“ Antwort: „Wir können nicht!“– „Ja, warum könnt ihr denn nicht?“ „Eing´schlossen san mer!“– „Ja, dann tret halt die Türen ein!“ So ging das hin und her. Und dann hörte man Krachen, Poltern, die Soldaten stürmten heraus, waren feldmarschmäßig ausgerüstet, Patronen in den Gurten und als sie dann aus den riesigen Toren herausquollen, geschah etwas sehr merkwürdiges: Sie entwaffneten sich selbst.

(Friedrich Burschell: Persönliche Mitteilung an den Herausgeber. In: Gerhard Schmolze (Hg.): Revolution und Räterepublik in München 1918/19 in Augenzeugenberichten. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1978, S. 91)

Ebenfalls ohne einen einzigen Schuss abzugeben, übernahmen die Revolutionäre die Stadt. Bis zum Abend waren Kasernen, Ministerien, Polizeipräsidium, Bahnhof, Post, Telegrafenamt und Zeitungsredaktionen in ihrer Hand. Im Mathäserbräu am Stachus tagten nun die Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte. Die Friedenssehnsucht der Menschen hatte gesiegt. Nirgendwo im Land regte sich Widerstand gegen die Geschehnisse in München. Niemand störte sich daran, dass auf dem Turm der Frauenkirche jetzt die rote Fahne wehte. Der Schüler Klaus Mann schrieb in sein Tagebuch: „Revolution! Revolution! Militärautos durchsausen die Stadt, Fensterscheiben werden eingeschmissen. Kurt Eisner ist Präsident – zu lächerlich. Und trotzdem schmeichelt es einem zu denken, in hundert Jahren rede man von der Bayerischen wie von der Französischen Revolution.“

(Klaus Mann: Kind dieser Zeit. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1967, S. 54)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl