Der Prozess

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Ansichtskarte von Eugen Felle: Waldschmidt-Denkmal am Riedelstein bei Kötzting 1919.

Als sich Michael Heigl und Therese Pritzl in der Nacht vom 16. auf den 17. Juni 1853 nach langer Zeit wieder einmal ins Tal hinab wagten wurden sie vom Jungbauern des Auhofs, Josef Schmid, erkannt und in der Aussicht auf eine Belohnung von 200 Gulden verraten. Ein Großaufgebot an Bauern und Gendarmen machte sich auf den Weg zum Kaitersberg, um den Räuber und seine Geliebte zu stellen. Obwohl sich das Paar verzweifelt wehrte, wurden sie überwältigt und in die Fronfeste nach Kötzting gebracht. Ein Jahr später wurde Michael Heigl vor dem Straubinger Schwurgericht der Prozess gemacht. Am 27. Juni 1854 wurde das Urteil verkündet: Enthauptung durch das Schwert, die 22-jährige Therese Pritzl erhielt aufgrund ihrer Jugend „nur“ zehn Monate in einer Zwangsarbeiteranstalt.

Maximilian Schmidt, der als „Waldschmidt“ im 19. Jahrhundert zum berühmtesten Schriftsteller des Bayerischen Waldes wurde, war bei der Verhandlung vor dem Schwurgericht Straubing im Juni 1854 als Gerichtsreporter dabei und lieferte in der Zeitung ein so lebensnahes Bild des Räubers, dass Oskar Döring es in seinem Roman über Michael Heigl wortwörtlich zitierte:

Der Heigl ist über sechs Fuß groß, von untersetztem muskulösem Körperbau und achtundreißig Jahre alt [...] Seine Gesichtszüge sind im Augenblick der Ruhe mehr einnehmend als abstoßend. Unter einer hohen, gewölbten Stirn blitzt ein lebhaftes Auge hervor. Seine Nase ist gebogen, sein Mund ziemlich groß, aber wohlgeformt und um seine starken Mundwinkel spielt ein Humor verratendes Lächeln. Dieser gewinnende Ausdruck des blassen Gesichtes verschwindet aber, sobald es innere Aufregung zeigt. Alsdann bekommt sein Blick etwas Dämonisches. Dadurch, sowie durch seine körperliche Kraft, durch seine List und Verwegenheit hat er einen Teil der Einwohner zehn Jahre lang in Schrecken gehalten; andererseits hat er sich durch seine Freigebigkeit viele Freundschaften erworben, hauptsächlich unter dem ärmsten Volk.

(Oskar Döring: Der Räuber Heigl. Ein Roman und Tatsachenbericht aus dem Bayerischen Wald. Mz Buchverlag, München 2001, S. 190)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Michaela Karl

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