Wilhelm Gossec

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Schlachthofviertel. Foto: Rüdiger Rohrbach

Max Bronskis Protagonist Wilhelm Gossec ist Antiquitätenhändler und betreibt einen Trödelladen im Schlachthofviertel.

Wie immer roch es draußen von der Wurstfabrik her nach Eingeweiden und Blut. Montag war Lyonertag. Da kam noch Räucheraroma dazu. Drinnen drehten die Czionka-Leute schwere Lappen von Fett, Fleisch und Innereien durch den Wolf. In einer Zentrifuge wurden Knochenteile pulverisiert und beigemischt. Dann rührten sie die Masse in Kesseln zusammen, würzten sie und versetzten sie mit Wasser, stopften das Ganze in Därme, brühten und räucherten die Würste. Wohlgenährte Ratten strichen um die Abfallcontainer herum. Das heiße, fettige Wasser aus den Wurstkesseln wurde abends in die Kanalisation gekippt und dampfte im Hof aus den Gullys.

(Max Bronski: Sister Sox. Heyne Verlag, München 2010, S. 53ff.)

In Max Bronskis Roman München Blues trifft Gossec während des Oktoberfests vor seinem Haus auf eine Bierleiche, in deren Tasche sich eine Einladung für das Käfer-Zelt und eine Visitenkarte befindet. Es handelt sich um den Landtagsabgeordneten Ernst Hirschböck. Gossec kümmert sich um ihn in der Hoffnung, einmal davon zu profitieren. Doch stattdessen gerät er mitten hinein in einen Immobilienskandal und zwischen alle Fronten.

Mein Laden im Schlachthofviertel ist gerade mal fünf Minuten von der Theresienwiese entfernt. Normalerweise spielt das keine Rolle, denn die Theresienwiese ist ein ziemlich reizloses steiniges Gelände, topfeben, dazu ohne Baum und Strauch. Am anderen Ende erhebt sich ein Hang, an dessen Kante ein mächtiges altdeutsches Weib von ihrem Sockel auf die Wiese herunterschaut. Über einem weiten, hemdartigen Kleid, dessen gnädige Falten ihre Körperfülle verhüllen, trägt sie ein Bärenfell um den Leib gegürtet, in ihrer Rechten hält sie das blankgezogene Schwert und mit der Linken hebt sie einen Eichenkranz empor. Selbst Heraldikspezialisten würden bei ihr eher auf Odins Gattin Freya tippen, säße nicht ein bayerischer Löwe zu ihren Füßen, der sie uns als Darstellerin der Bavaria nahezubringen versucht. Eingerahmt wird die Bronzestatue von einer Tempelanlage, die so griechisch ist wie das Kapitol in Washington römisch. Der Tempel stellt in diesem Mix von Kulturen eine Ruhmeshalle dar, in der verdiente ortsansässige Persönlichkeiten wie der Bierbrauer Pschorr und der Wassertreter Kneipp mit Büsten geehrt werden. Erst mit dieser unterstützenden Information versteht man, warum gewitzte Heraldiker darauf hinweisen, dass der Kranz aus Eichenlaub üblicherweise aus Lorbeer gewunden wird. Wie gesagt: Normalerweise spielt die Nähe zur Theresienwiese keine Rolle, aber einmal im Jahr findet dort unten mindestens vierzehn Tage lang das Oktoberfest statt, das der Münchner dieses steinigen Geländes wegen Wiesn nennt.

(Max Bronski: München Blues. Heyne Verlag, München 2010, S. 7f.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

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