Café Tambosi
Bei seinen Ermittlungen stößt Severin Thiel auf die „berühmte Kartenrunde“ im Café Tambosi. Das traditionsreiche Kaffeehaus am Odeonsplatz, dessen Geschichte 1774 mit der Gründung eines Kaffeegeschäfts in den Arkaden des Hofgartens begann, war Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der angesehensten Cafés geworden, das weit über die Grenzen Münchens bekannt war. Thiel stellt fest, dass auch sein Vorgesetzter, der „geschätzte Herr Polizeidirektor“, Stammgast und Mitglieder der Kartenrunde ist.
Als er das Tambosi im Hofgarten erreichte, verließ gerade eine größere Zahl Gäste das Caféhaus. Die Uhr an der gegenüberliegenden Theatinerkirche zeigte Thiel, wie spät er schon dran war. So kurz vor der Sperrstunde konnte er sich nicht mehr unauffällig im Café umhören. Er postierte sich an einer Gaslaterne und musterte die Männer, die nach und nach herauskamen. Es handelte sich um die üblichen Stammgäste, Herren in tadellosen Anzügen aus der besten Gesellschaft der Stadt, darunter Honoratioren, hohe Staatsbedienstete, Offiziere, Geschäftsleute. Galant führten sie ihre Damen zu den wartenden Kutschen. Früher, so wurde gemunkelt, ging gar der König persönlich im Tambosi ein und aus. Kein Wunder, dass Polizeidirektor von Burchtoff gern seine freie Zeit dort verbrachte. Er passte wunderbar in dieses Umfeld, aber Nähmaschinenhändler wie Riederer und Fischer?
(Heidi Rehn: Blutige Hände. Emons Verlag, Köln 2006, S. 203ff.)
Von Johanna Morgenthau erfährt Thiel, dass die „einschlägigen Kreise“, die High Society der Stadt, im Café Tambosi verkehren. Johanna liefert ihm detaillierte Informationen: „Es gibt dort mehrere Zirkel: Offiziere, Gelehrte und Künstler, daneben Schreiberlinge wie Stiegler und so manch andere, aber gleichzeitig auch Unternehmer und Honoratioren der Stadt.“ Dass auch Polizeidirektor Herr von Burchtorff dazu gehört, ist Thiel nicht neu. Denn, so Johanna Morgenthau, „das Tambosi ist wirklich der Nabel der Welt. Jeder, der etwas in der Stadt bewegen will, lässt sich dort sehen.“
Doch die jeweiligen Zirkel seien stark voneinander abgegrenzt, sogar räumlich. Trotzdem würden sich die Stammgäste untereinander kennen.
Man grüßt sich, unterhält sich, trinkt im großen Saal gelegentlich das eine oder andere Glas miteinander. Vor allem zu vorgerückter Stunde, wenn die Spiele weit fortgeschritten sind und der Wein längst den Kaffee oder Tee als Getränk abgelöst hat, werden die Grenzen fließender und die Gespräche offener.
(S. 279ff.)
Nicht nur deshalb gehöre Verschwiegenheit zu den ungeschriebenen Gesetzen des Hauses. Niemand dürfe Informationen heraustragen oder für eigene Zwecke nutzen.
Diese Diskretion bekommt Thiel bei seinen Ermittlungen am eigenen Leib zu spüren: als er sich im Tambosi „einen sündhaft teuren Kaffee sowie ein Stück von der berühmten Torte“ in der Hoffnung leistet, mit der Bedienung ins Gespräch zu kommen und durch geschicktes Fragen Informationen zu erhalten.
Aber leider hatte er erfahren müssen, dass im Tambosi bei aller Höflichkeit die Verschwiegenheit über Stammgäste oberste Priorität genoss. Freundlich lächelnd hatte ihm der Ober schlichtweg jede Information verweigert.
(S. 226ff.)
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Bei seinen Ermittlungen stößt Severin Thiel auf die „berühmte Kartenrunde“ im Café Tambosi. Das traditionsreiche Kaffeehaus am Odeonsplatz, dessen Geschichte 1774 mit der Gründung eines Kaffeegeschäfts in den Arkaden des Hofgartens begann, war Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der angesehensten Cafés geworden, das weit über die Grenzen Münchens bekannt war. Thiel stellt fest, dass auch sein Vorgesetzter, der „geschätzte Herr Polizeidirektor“, Stammgast und Mitglieder der Kartenrunde ist.
Als er das Tambosi im Hofgarten erreichte, verließ gerade eine größere Zahl Gäste das Caféhaus. Die Uhr an der gegenüberliegenden Theatinerkirche zeigte Thiel, wie spät er schon dran war. So kurz vor der Sperrstunde konnte er sich nicht mehr unauffällig im Café umhören. Er postierte sich an einer Gaslaterne und musterte die Männer, die nach und nach herauskamen. Es handelte sich um die üblichen Stammgäste, Herren in tadellosen Anzügen aus der besten Gesellschaft der Stadt, darunter Honoratioren, hohe Staatsbedienstete, Offiziere, Geschäftsleute. Galant führten sie ihre Damen zu den wartenden Kutschen. Früher, so wurde gemunkelt, ging gar der König persönlich im Tambosi ein und aus. Kein Wunder, dass Polizeidirektor von Burchtoff gern seine freie Zeit dort verbrachte. Er passte wunderbar in dieses Umfeld, aber Nähmaschinenhändler wie Riederer und Fischer?
(Heidi Rehn: Blutige Hände. Emons Verlag, Köln 2006, S. 203ff.)
Von Johanna Morgenthau erfährt Thiel, dass die „einschlägigen Kreise“, die High Society der Stadt, im Café Tambosi verkehren. Johanna liefert ihm detaillierte Informationen: „Es gibt dort mehrere Zirkel: Offiziere, Gelehrte und Künstler, daneben Schreiberlinge wie Stiegler und so manch andere, aber gleichzeitig auch Unternehmer und Honoratioren der Stadt.“ Dass auch Polizeidirektor Herr von Burchtorff dazu gehört, ist Thiel nicht neu. Denn, so Johanna Morgenthau, „das Tambosi ist wirklich der Nabel der Welt. Jeder, der etwas in der Stadt bewegen will, lässt sich dort sehen.“
Doch die jeweiligen Zirkel seien stark voneinander abgegrenzt, sogar räumlich. Trotzdem würden sich die Stammgäste untereinander kennen.
Man grüßt sich, unterhält sich, trinkt im großen Saal gelegentlich das eine oder andere Glas miteinander. Vor allem zu vorgerückter Stunde, wenn die Spiele weit fortgeschritten sind und der Wein längst den Kaffee oder Tee als Getränk abgelöst hat, werden die Grenzen fließender und die Gespräche offener.
(S. 279ff.)
Nicht nur deshalb gehöre Verschwiegenheit zu den ungeschriebenen Gesetzen des Hauses. Niemand dürfe Informationen heraustragen oder für eigene Zwecke nutzen.
Diese Diskretion bekommt Thiel bei seinen Ermittlungen am eigenen Leib zu spüren: als er sich im Tambosi „einen sündhaft teuren Kaffee sowie ein Stück von der berühmten Torte“ in der Hoffnung leistet, mit der Bedienung ins Gespräch zu kommen und durch geschicktes Fragen Informationen zu erhalten.
Aber leider hatte er erfahren müssen, dass im Tambosi bei aller Höflichkeit die Verschwiegenheit über Stammgäste oberste Priorität genoss. Freundlich lächelnd hatte ihm der Ober schlichtweg jede Information verweigert.
(S. 226ff.)