Brief an einen Staatsminister

Henrik Ibsens Sohn, der spätere Staatsminister Sigurd Ibsen (1859-1930), hatte in Norwegen zunächst Schwierigkeiten, in den diplomatischen Dienst übernommen zu werden, weil er im Ausland studiert hatte. Doch 1892 wurde er außenpolitischer Beamter und 1903 Staatsminister. In einem Brief an den norwegischen Staatsminister Emil Stang (1834-1912) erklärt sein Vater, in welchem Zwiespalt er sich bezüglich seines Aufenthaltsortes befand und dass seine eigene schriftstellerische Karriere für ihn letztlich Priorität besaß.

 

Henrik Ibsen an Staatsminister Emil Stang
München, den 11. Dezember 1889

Ich hatte keine Wahl. Meine finanzielle Lage war damals nicht so, dass ich ihn [den Sohn Sigurd] in Kristiania hätte studieren lassen können, ohne selbst dort Aufenthalt zu nehmen. Aber dazu konnte ich mich unmöglich verstehen. Damit wäre nämlich meine ganze literarische Lebensbahn verschoben und aus dem Geleise gebracht worden. Von dort oben aus hätte ich mir niemals die Stellung in der Weltliteratur erobern können, die ich jetzt besitze. Dort oben wäre mir niemals das glückliche Los zugefallen, den norwegischen Namen weiter in die Welt hinauszutragen, als sonst ein Norweger auf dem Felde der Dichtung – und wohl auch auf keinem anderen Gebiet – bisher vermocht hat. Ich glaube, dass ich das ohne den Anschein der Selbstüberhebung aussprechen darf.

(Henrik Ibsen: Briefe. Reclam, Stuttgart 1967, S. 155)

 

Der spätere Staatsminister Sigurd Ibsen hatte in Norwegen zunächst Schwierigkeiten, weil er im Ausland studiert hatte. 1892 wurde er außenpolitischer Beamter und ab 1903 Staatsminister.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt