Bildkunst und Dichtkunst
In seiner Jugend hatte sich Ibsen zunächst nicht zwischen der Malerei und der Dichtkunst entscheiden können. Ein besonders enges Verhältnis zur bildenden Kunst sollte er sein Leben lang behalten, genauso wie er sich stets zu Malerinnen und Malern hingezogen fühlte. Seine Frau erzählte der jungen Ibsen-Muse Helene Raff, noch zur Zeit ihrer Eheschließung habe Ibsen oft an der Staffelei gestanden. Sie habe ihn jedoch bestärkt, sich auf das Schreiben zu konzentrieren, denn sie sei der Auffassung gewesen, ein Dramatiker dürfe sich nicht zersplittern.
Zwei steinerne Stiegen ging es im Hause Maximilianstraße 32 hinauf zu der Türe, an der die Karte mit der Aufschrift „Dr. Henrik Ibsen“ befestigt war. Diese Karten, seine Visitenkarten, schrieb Ibsen selbst mit chinesischer Tusche und Pinsel in seiner schönen gleichmäßigen Handschrift. Für jeden, der eine solche Karte empfing, hatte sie daher Autographenwert.
Bisweilen öffnete das Mädchen, bisweilen Frau Susanna Ibsen selbst. Wenige Bekannte hatten Zutritt zu dem Heim, das ganz auf das geistige Schaffen seines Eigners eingestellt war. [...] Die unauffälligen Möbel waren gemietet, dafür die Wände mit schönen Bildern – Originalgemälden und -Radierungen – geziert. Ibsen liebte seine Bilder, liebte von jeher die Bildkunst. Hatte er doch einmal zwischen ihr und der Dichtkunst geschwankt! Sein Sinn für Malerei und auch der seiner Frau hatte sich während des langen Aufenthalts in Rom noch vertieft. Den Stolz von Ibsens kleiner Sammlung bildete eine weibliche Halbfigur in prachtvollem, alten Goldrahmen, die Ibsen auf dem Trödelmarkt von Rom erstanden hatte und die von Aloys Hauser, der sie reinigte und restaurierte, dem Giorgione zugeschrieben wurde.
(Theater und Kunst. Ein Nachmittag bei Henrik Ibsen. In: Telegramm-Zeitung, 16. März 1928)
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In seiner Jugend hatte sich Ibsen zunächst nicht zwischen der Malerei und der Dichtkunst entscheiden können. Ein besonders enges Verhältnis zur bildenden Kunst sollte er sein Leben lang behalten, genauso wie er sich stets zu Malerinnen und Malern hingezogen fühlte. Seine Frau erzählte der jungen Ibsen-Muse Helene Raff, noch zur Zeit ihrer Eheschließung habe Ibsen oft an der Staffelei gestanden. Sie habe ihn jedoch bestärkt, sich auf das Schreiben zu konzentrieren, denn sie sei der Auffassung gewesen, ein Dramatiker dürfe sich nicht zersplittern.
Zwei steinerne Stiegen ging es im Hause Maximilianstraße 32 hinauf zu der Türe, an der die Karte mit der Aufschrift „Dr. Henrik Ibsen“ befestigt war. Diese Karten, seine Visitenkarten, schrieb Ibsen selbst mit chinesischer Tusche und Pinsel in seiner schönen gleichmäßigen Handschrift. Für jeden, der eine solche Karte empfing, hatte sie daher Autographenwert.
Bisweilen öffnete das Mädchen, bisweilen Frau Susanna Ibsen selbst. Wenige Bekannte hatten Zutritt zu dem Heim, das ganz auf das geistige Schaffen seines Eigners eingestellt war. [...] Die unauffälligen Möbel waren gemietet, dafür die Wände mit schönen Bildern – Originalgemälden und -Radierungen – geziert. Ibsen liebte seine Bilder, liebte von jeher die Bildkunst. Hatte er doch einmal zwischen ihr und der Dichtkunst geschwankt! Sein Sinn für Malerei und auch der seiner Frau hatte sich während des langen Aufenthalts in Rom noch vertieft. Den Stolz von Ibsens kleiner Sammlung bildete eine weibliche Halbfigur in prachtvollem, alten Goldrahmen, die Ibsen auf dem Trödelmarkt von Rom erstanden hatte und die von Aloys Hauser, der sie reinigte und restaurierte, dem Giorgione zugeschrieben wurde.
(Theater und Kunst. Ein Nachmittag bei Henrik Ibsen. In: Telegramm-Zeitung, 16. März 1928)