Eine graue Wand
Die meisten Besucher, die Ibsen in seiner Wohnung empfing, waren erstaunt, dass der Dichter mit seiner Familie möbliert wohnte. Tragische Ironie: Als er sich 1891 endlich entschloss, eigene Möbel zu kaufen, kam es bei der Premiere seines Stückes Hedda Gabler am Münchner Residenztheater zu einem Eklat, durch den er sich gezwungen sah, die Stadt zu verlassen.
Ein Umstand im Leben des Dichters mutet seltsam an: Er wohnte stets möbliert. Auch in den hohen, lichten Räumen des Hemmeter-Hauses gehörten ihm nur die guten Kopien italienischer Meister an den Wänden, ungefähr zwanzig an der Zahl. Die Aussicht aus Ibsens Fenstern – er hatte die Zweitestockwohnung gegen die Kanalstraße inne – war nichts weniger als anregend, trotzdem bemerkte er auf eine Andeutung des Hofschauspielers Wohlgemuth: „Oh, noch viel zu ablenkend! Das idealste für mich wäre eine graue Wand.“
Wie sehr der Meister unsere Vaterstadt geschätzt hat, bezeugen seine Worte an Georg Michael Conrad, als dieser ihn zum 60. Geburtstag beglückwünschte. „Es ist köstlich in München. Es ist so gut hier zu arbeiten. Es ist mir wie eine schöne zweite Heimat. Ich will noch lange hier bleiben.“ Bald darauf – im Jahre 1888 – gingen Ibsen und seine Frau daran, sich nach dreißigjähriger Ehe eigenen Hausrat anzuschaffen. All seine Freunde glaubten, der Meister wolle sich nun dauernd in München niederlassen. Dies war wohl auch seine ursprüngliche Absicht. Da kam der 31. Januar 1891 und die unselige Hedda-Gabler-Aufführung im Residenztheater. [...] Der bei der Uraufführung losbrechende Theaterskandal traf Ibsen so empfindlich, dass er wenige Monate später, am 15. Juli 1891, seine Möbel einpacken ließ und in seine nordische Heimat zurückkehrte. Trotzdem bewahrte er München, dem „Genie unter den Städten Europas“, dauernd ein warmes Gedenken.
(Isabella Held: Die „schöne zweite Heimat“. Ibsens Münchner Tage. In: Münchner Neueste Nachrichten, 10. Mai 1935)
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Die meisten Besucher, die Ibsen in seiner Wohnung empfing, waren erstaunt, dass der Dichter mit seiner Familie möbliert wohnte. Tragische Ironie: Als er sich 1891 endlich entschloss, eigene Möbel zu kaufen, kam es bei der Premiere seines Stückes Hedda Gabler am Münchner Residenztheater zu einem Eklat, durch den er sich gezwungen sah, die Stadt zu verlassen.
Ein Umstand im Leben des Dichters mutet seltsam an: Er wohnte stets möbliert. Auch in den hohen, lichten Räumen des Hemmeter-Hauses gehörten ihm nur die guten Kopien italienischer Meister an den Wänden, ungefähr zwanzig an der Zahl. Die Aussicht aus Ibsens Fenstern – er hatte die Zweitestockwohnung gegen die Kanalstraße inne – war nichts weniger als anregend, trotzdem bemerkte er auf eine Andeutung des Hofschauspielers Wohlgemuth: „Oh, noch viel zu ablenkend! Das idealste für mich wäre eine graue Wand.“
Wie sehr der Meister unsere Vaterstadt geschätzt hat, bezeugen seine Worte an Georg Michael Conrad, als dieser ihn zum 60. Geburtstag beglückwünschte. „Es ist köstlich in München. Es ist so gut hier zu arbeiten. Es ist mir wie eine schöne zweite Heimat. Ich will noch lange hier bleiben.“ Bald darauf – im Jahre 1888 – gingen Ibsen und seine Frau daran, sich nach dreißigjähriger Ehe eigenen Hausrat anzuschaffen. All seine Freunde glaubten, der Meister wolle sich nun dauernd in München niederlassen. Dies war wohl auch seine ursprüngliche Absicht. Da kam der 31. Januar 1891 und die unselige Hedda-Gabler-Aufführung im Residenztheater. [...] Der bei der Uraufführung losbrechende Theaterskandal traf Ibsen so empfindlich, dass er wenige Monate später, am 15. Juli 1891, seine Möbel einpacken ließ und in seine nordische Heimat zurückkehrte. Trotzdem bewahrte er München, dem „Genie unter den Städten Europas“, dauernd ein warmes Gedenken.
(Isabella Held: Die „schöne zweite Heimat“. Ibsens Münchner Tage. In: Münchner Neueste Nachrichten, 10. Mai 1935)