Franziska zu Reventlow
In diesen Tagen habe ich Die Frau vom Meer und Die Wildente von Ibsen gelesen. Kennen Sie es? Sonderbar ist es im höchsten Grade. Ich verdanke Ibsen sehr viel, seine Ideen und seine Menschen sind begeisternd und man hat so das Gefühl, als ob er einem klar sagt, was man unklar gefühlt hat.
(Franziska zu Reventlow: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Hg. von Michael Schardt u.a. Igel Verlag, Oldenburg 2004, Band 4: Briefe 1890 bis 1917, S. 15)
Die freiheitsliebende Schriftstellerin, Übersetzerin und „heidnische Madonna“ der Schwabinger Boheme Franziska zu Reventlow (1871-1918) war schon in ihrer Jugend eine begeisterte Ibsen-Anhängerin. Am 1. Mai 1890 verfasste sie einen Essay über die Situation der Frau, den sie in einen Brief an ihren Jugendfreund Emanuel Fehling kleidete. Beide waren damals Mitglieder des verbotenen Lübecker Ibsenclubs. Franziska zu Reventlow beklagte die Ungleichheit von Männern und Frauen in Bildungsangelegenheiten, nannte sie unerträglich, „himmelschreiendes Unrecht“ und „unter aller Menschenwürde“. Die unwichtigsten Kenntnisse sollten ihr und allen jungen Frauen eingetrichtert, die sinnlosesten Fertigkeiten vermittelt werden, damit „bleichsüchtige, spitzenklöppelnde, interessenlose Geschöpfe; die, wenn sie sich verheiraten, in Haushalts- und Kindergeschichten aufgehen und ihrem Mann unmöglich etwas sein können, als eben seine Hausfrau“ aus ihnen würden. Zum Glück gab es Alternativen: „Was ich bei Ibsen besonders liebe, ist seine schöne, edle Auffassung des Weibes und der Ehe.“ Doch Franziska zu Reventlow war nicht nur eine bewundernde, sondern auch eine kritische Leserin. So monierte sie bei der Frau vom Meer den etwas künstlichen und übermäßig konstruierten Konflikt der Hauptfigur Elida. Was ihr hingegen einleuchtete, war die moralische Aussage des Dramas:
Die Lösung dagegen ist schön und wahr, dass sie durch die Freiheit des Handelns, die ihr Mann ihr gibt, selbständig wird und sittlich handelt. Darin liegt doch unendlich Wahrheit und man fühlt sich tief von derselben berührt. Ich glaube auch fest, dass man eher durch Freiheit wie durch moralischen Zwang – unter welchem sich fast alle Frauen und Mädchen sich unterjochen lassen – zur wahren Sittlichkeit gelangt, wenn auch diese verschrobenen lächerlichen Sittengesetze dabei flöten gehen.
(Franziska zu Reventlow: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Hg. von Michael Schardt u.a. Igel Verlag, Oldenburg 2004, Band 4: Briefe 1890 bis 1917, S. 52)
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In diesen Tagen habe ich Die Frau vom Meer und Die Wildente von Ibsen gelesen. Kennen Sie es? Sonderbar ist es im höchsten Grade. Ich verdanke Ibsen sehr viel, seine Ideen und seine Menschen sind begeisternd und man hat so das Gefühl, als ob er einem klar sagt, was man unklar gefühlt hat.
(Franziska zu Reventlow: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Hg. von Michael Schardt u.a. Igel Verlag, Oldenburg 2004, Band 4: Briefe 1890 bis 1917, S. 15)
Die freiheitsliebende Schriftstellerin, Übersetzerin und „heidnische Madonna“ der Schwabinger Boheme Franziska zu Reventlow (1871-1918) war schon in ihrer Jugend eine begeisterte Ibsen-Anhängerin. Am 1. Mai 1890 verfasste sie einen Essay über die Situation der Frau, den sie in einen Brief an ihren Jugendfreund Emanuel Fehling kleidete. Beide waren damals Mitglieder des verbotenen Lübecker Ibsenclubs. Franziska zu Reventlow beklagte die Ungleichheit von Männern und Frauen in Bildungsangelegenheiten, nannte sie unerträglich, „himmelschreiendes Unrecht“ und „unter aller Menschenwürde“. Die unwichtigsten Kenntnisse sollten ihr und allen jungen Frauen eingetrichtert, die sinnlosesten Fertigkeiten vermittelt werden, damit „bleichsüchtige, spitzenklöppelnde, interessenlose Geschöpfe; die, wenn sie sich verheiraten, in Haushalts- und Kindergeschichten aufgehen und ihrem Mann unmöglich etwas sein können, als eben seine Hausfrau“ aus ihnen würden. Zum Glück gab es Alternativen: „Was ich bei Ibsen besonders liebe, ist seine schöne, edle Auffassung des Weibes und der Ehe.“ Doch Franziska zu Reventlow war nicht nur eine bewundernde, sondern auch eine kritische Leserin. So monierte sie bei der Frau vom Meer den etwas künstlichen und übermäßig konstruierten Konflikt der Hauptfigur Elida. Was ihr hingegen einleuchtete, war die moralische Aussage des Dramas:
Die Lösung dagegen ist schön und wahr, dass sie durch die Freiheit des Handelns, die ihr Mann ihr gibt, selbständig wird und sittlich handelt. Darin liegt doch unendlich Wahrheit und man fühlt sich tief von derselben berührt. Ich glaube auch fest, dass man eher durch Freiheit wie durch moralischen Zwang – unter welchem sich fast alle Frauen und Mädchen sich unterjochen lassen – zur wahren Sittlichkeit gelangt, wenn auch diese verschrobenen lächerlichen Sittengesetze dabei flöten gehen.
(Franziska zu Reventlow: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Hg. von Michael Schardt u.a. Igel Verlag, Oldenburg 2004, Band 4: Briefe 1890 bis 1917, S. 52)