Münchner Haus
In dem 1900 errichteten Schutzhaus unterhalb des Zugspitzgipfels trifft Ödön von Horváth mit Bergbahnarbeitern zusammen, die den gefährlichen Weg von der Baustelle zum Haus auf sich nehmen, um Bier zur trinken. Zum damaligen Zeitpunkt ist Horváth eng mit dem Wirt des sogenannten Münchner Hauses befreundet. Überhaupt ist er ein begeisterter Bergsteiger. Der Touristentrubel an der Kreuzeckbahn bleibt ihm zwar erspart, als er im Juli 1920 eine Höllental-Tour unternimmt und seinen Eltern eine Ansichtskarte mit „Blick auf die Zuspitze und Riffelspitze“ nach Murnau schickt;[1] allein die dramatischen Begleitumstände beim Bau von Bergbahnen bleiben dem „Sportmärchendichter“ nicht verborgen (noch der Roman Der ewige Spießer behandelt beide Zugspitz-Bergbahnen). Im Mai 1926 berichten Zeitungen über Unfälle und über einen Aufstand der Tiroler Bergbahnarbeiter gegen die Bauleitung, weil diese mit Lohnzahlungen und vereinbarten Lohnerhöhungen im Verzug ist. Viele der Arbeiter kommen aus dem angrenzenden Deutschen Reich, übernachten in den in Felsen errichteten Baracken und wohnen längere Zeit in dem unwegsamen Gelände, während die Einheimischen nach der Arbeit ins Tal hinabsteigen und am nächsten Tag wieder zur Baustelle hinaufklettern.
Horváth zeigt die Schattenseiten, die vom Bau eines solchen Werks der modernen Technik ausgehen, der letztlich nur finanziellen Interessen geschuldet ist. Im Wettrennen der österreichischen und bayerischen Seite zum Zugspitzgipfel bleiben die Arbeiter auf der Strecke – beim Tiroler Zugspitzbahnbau sterben vier Menschen, bei Horváth sind es immerhin drei. Wichtige Passagen werden in der Umarbeitung der Revolte auf Côte 3018 gemäßigt oder raffend positioniert; die für Horvath typische Tendenz, dass „Dialekt als Charaktereigenschaft der Umwelt, des Individuums“ zu interpretieren sei, kann jedoch schon hier beobachtet werden:
Sliwinski Da liest überall vom Fortschritt der Menschheit und die Leut bekränzn an Ingineur, wie an Preisstier, die Direkter sperrn die Geldsack ind Kass und dem Bauer blüht der Fremdenverkehr. A jede Schraubn werd zum ‚Wunder der Technik‘, a jede Odlgrubn zur ‚Heilquelle‘. Aber, daß aner sei Lebn hergebn hat, des Blut, werd ausradiert!
Simon Na, des werd zu Gold!
Xaver Wahr ists.
Reiter Allweil.
Schweigen.
Xaver Allweil des Geld.
Hannes Des Geld hat der Teifl gweiht!
Maurer Des Grundübel, des is die kapitalistische Produktionsweise. Solang da a solche Anarchie herrscht, solang darfst wartn mit den Idealen des Menschengeschlechts. Die Befreiung der Arbeiterklasse –
Simon unterbricht ihn: Des san Sprüch.[2]
[1] Vgl. Stankiewitz, Karl (2005): Poeten-Pfade in Bayern. Literarische Wanderungen zwischen Alpen, Spessart und Böhmerwald. Verlag Kiebitz Buch, Vilsbiburg, S. 60.
[2] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 1, S. 60f. (Zweiter Akt) Derselbe Passus steht in der Bergbahn bereits im ersten Akt.
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In dem 1900 errichteten Schutzhaus unterhalb des Zugspitzgipfels trifft Ödön von Horváth mit Bergbahnarbeitern zusammen, die den gefährlichen Weg von der Baustelle zum Haus auf sich nehmen, um Bier zur trinken. Zum damaligen Zeitpunkt ist Horváth eng mit dem Wirt des sogenannten Münchner Hauses befreundet. Überhaupt ist er ein begeisterter Bergsteiger. Der Touristentrubel an der Kreuzeckbahn bleibt ihm zwar erspart, als er im Juli 1920 eine Höllental-Tour unternimmt und seinen Eltern eine Ansichtskarte mit „Blick auf die Zuspitze und Riffelspitze“ nach Murnau schickt;[1] allein die dramatischen Begleitumstände beim Bau von Bergbahnen bleiben dem „Sportmärchendichter“ nicht verborgen (noch der Roman Der ewige Spießer behandelt beide Zugspitz-Bergbahnen). Im Mai 1926 berichten Zeitungen über Unfälle und über einen Aufstand der Tiroler Bergbahnarbeiter gegen die Bauleitung, weil diese mit Lohnzahlungen und vereinbarten Lohnerhöhungen im Verzug ist. Viele der Arbeiter kommen aus dem angrenzenden Deutschen Reich, übernachten in den in Felsen errichteten Baracken und wohnen längere Zeit in dem unwegsamen Gelände, während die Einheimischen nach der Arbeit ins Tal hinabsteigen und am nächsten Tag wieder zur Baustelle hinaufklettern.
Horváth zeigt die Schattenseiten, die vom Bau eines solchen Werks der modernen Technik ausgehen, der letztlich nur finanziellen Interessen geschuldet ist. Im Wettrennen der österreichischen und bayerischen Seite zum Zugspitzgipfel bleiben die Arbeiter auf der Strecke – beim Tiroler Zugspitzbahnbau sterben vier Menschen, bei Horváth sind es immerhin drei. Wichtige Passagen werden in der Umarbeitung der Revolte auf Côte 3018 gemäßigt oder raffend positioniert; die für Horvath typische Tendenz, dass „Dialekt als Charaktereigenschaft der Umwelt, des Individuums“ zu interpretieren sei, kann jedoch schon hier beobachtet werden:
Sliwinski Da liest überall vom Fortschritt der Menschheit und die Leut bekränzn an Ingineur, wie an Preisstier, die Direkter sperrn die Geldsack ind Kass und dem Bauer blüht der Fremdenverkehr. A jede Schraubn werd zum ‚Wunder der Technik‘, a jede Odlgrubn zur ‚Heilquelle‘. Aber, daß aner sei Lebn hergebn hat, des Blut, werd ausradiert!
Simon Na, des werd zu Gold!
Xaver Wahr ists.
Reiter Allweil.
Schweigen.
Xaver Allweil des Geld.
Hannes Des Geld hat der Teifl gweiht!
Maurer Des Grundübel, des is die kapitalistische Produktionsweise. Solang da a solche Anarchie herrscht, solang darfst wartn mit den Idealen des Menschengeschlechts. Die Befreiung der Arbeiterklasse –
Simon unterbricht ihn: Des san Sprüch.[2]
[1] Vgl. Stankiewitz, Karl (2005): Poeten-Pfade in Bayern. Literarische Wanderungen zwischen Alpen, Spessart und Böhmerwald. Verlag Kiebitz Buch, Vilsbiburg, S. 60.
[2] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 1, S. 60f. (Zweiter Akt) Derselbe Passus steht in der Bergbahn bereits im ersten Akt.