Zugspitzbahnbau

Beim Bau der Zugspitzbahn auf österreichischer Seite. Links: Arbeiter in luftiger Höhe, Fotografie 1926. Rechts: Talstation der Zugspitzbahn, Arbeiter im Seil. © Privatsammlung

Das Volksstück Revolte auf Côte 3018, in der Neufassung von 1929 unter dem Titel Die Bergbahn, bezeichnet Horváth als sein „erstes Stück“ – es hat „den Kampf zwischen Kapital und Arbeitskraft, mit besonderer Berücksichtigung der Stellung der sogenannten Intelligenz im Produktionsprozess“ zum Inhalt[1] und wurde nach verschiedenen dramatischen Entwürfen am 4. November 1927 in Hamburg uraufgeführt. Hintergrund ist der Bau der Tiroler Seilbahn auf der Zugspitze in Ehrwald von 1924 bis 1926. Horváth hat aber „nicht historisch geschildert oder schildern wollen, sondern er hat nur versucht, die Schattenseiten […] aufzuleuchten […]. Ehrgeiz, Macht- oder Geldgier treibt die beteiligten Kräfte vorwärts, es entsteht ein unheilvoller Druck von oben nach unten, der in der rücksichtslosen Ausnutzung derer, die nichts anderes einzusetzen haben als ihre Arbeitskraft, endigen muß.“[2] In Berlin hatte sich Horváth als Arbeiter ausgegeben, der selbst beim Zugspitzbahnbau gearbeitet und das Selbsterlebte zu einem Bühnenstück geformt habe.

Der konkrete Schauplatz ist das von Obermoos in Tirol zur Zugspitze (2963 m) ansteigende Gebiet (vgl. frz. „côte“ für Ansteigung bzw. Abhang als Höhenmarkierung während des Bergbahnbaus). Während die Bayern noch planen,[3] wird im Mai 1925 mit dem Bau einer Seilschwebebahn in Ehrwald begonnen, die als eine der kühnsten Bahnanlagen der Welt bezeichnet und am 5. Juli 1926 eröffnet wird. Von der Talstation Obermoos (1225 m) überwindet die Bahn bei 3362 m Länge in 16 Minuten einen Höhenunterschied von 1580 m bis zur Bergstation am Zugspitzkamm (2805 m). Über 6 Eisenbetontürme verläuft das Tragseil, in allen Kabinen sind 19 Stehplätze eingerichtet, der Fahrpreis beträgt 10, mit Talfahrt 16 Schillinge (6/10 Mark).[4]

Die Errichtung der eisernen Stützen in eisigem Gelände erforderte neben einer korrekten Ausrüstung völlige Schwindelfreiheit von den Bergbahnarbeitern. Weder das eine noch das andere war oftmals gegeben. Die erschütternden Berichte über Witterungsverhältnisse, unzureichende Ausrüstung bzw. Verpflegung, ausstehenden Lohn, Termindruck, Unfälle und sonstige Streitigkeiten mit der Bauleitung sind in Horváths Volksstück eingeflossen.



[1] Maschinenschriftliches Protokoll eines Interviews von Ödön von Horváth (1932). In: Krischke, Traugott; Prokop, Hans F. (Hg.) (1972): Ö. v. H.: Leben und Werk in Dokumenten und Bildern. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, S. 50.

[2] Günther Stark: Einführung. Die Bergbahn. In: Programmblätter der Volksbühne [Berlin] 4. Jg. H. 5. (Januar 1929), zit. nach Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 1, S. 285.

[3] „Der Erste Weltkrieg, Trassen-Streit und Geldknappheit als Folge der Wirtschaftskrisen hatten den Bau einer Bayerischen Zugspitzbahn immer wieder verzögert und das technische Wettrennen zum Zugspitzgipfel die Tiroler mit ihrer kühnen Seilbahn zunächst gewinnen lassen.“ (Lindner, Lia [1996]: Der Bau der Zugspitzbahn in den 20er Jahren und Horváths Revolte auf Côte 3018. Bayerischer Rundfunk, München, S. 3 [Manuskript].)

[4] Ö. v. H.: Gesammelte Werke. Bd. 1, S. 295.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik