Haus (Salon) Wolfskehl

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Karl Wolfskehl (Münchner Stadtmuseum)

Man hat in ganz Wahnmoching und darüber hinaus tagelang nur von diesem Fest gesprochen. – Laien und Eingeweihte –, es scheinen ungeheuerliche Gerüchte darüber umzugehen. So fragte mich heute der alte Hofrat, den ich an der Trambahnhaltestelle traf, ob ich denn wirklich an diesen Orgien teilnehme, bei denen arge und bedenkliche Dinge stattfinden sollten, zum Beispiel den Göttern zu Ehren rauchendes Blut aus Schalen getrunken würde. Mir ging dies verständnislose Geschwätz so auf die Nerven, dass ich trotz meiner guten Erziehung etwas ausfallend wurde. Ich belehrte ihn, dass Hofmanns eine angesehene Familie wären und man in ihrem Hause weder rauchendes Blut tränke noch sonst etwas Ungehöriges täte, wie überhaupt selbst die eifrigsten Vorkämpfer des Heidentums in diesem Vorort die gesellschaftlichen Formen immer zu beobachten wüssten; in Spießerkreisen aber sei für das alles schwerlich das notwendige Verständnis zu finden, ja, auch gar nicht erwünscht, denn der Spießer sei von jeher molochitisch gewesen.

(Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil in Sämtliche Werke 2,  S. 80)

Den unumstrittenen Höhepunkt der Schwabinger Ballsaison 1903 bildet das Wolfskehlfest, das am 22. Februar in der Wolfskehlschen Wohnung in der Leopoldstraße stattfindet. Im Zentrum stehen Stefan George, der als Caesar mit weißer Toga verkleidet ist. Karl Wolfskehl geht als Bacchus, Ludwig Klages als indischer Mönch, Alfred Schuler als große Urmutter „Magna Mater“. Hans Walter Gruhle, Franz Hessel, O. A. H. Schmitz und Franziska zu Reventlow kostümieren sich als Bacchanten mit Kränzen auf den Häuptern. Franziska zu Reventlow schildert dieses Ereignis im 11. Kapitel ihres Romans Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil, der 1913 im Albert Langen Verlag erscheint. Mehr als vierzig Jahre später, am 23. September 1946, lobt Karl Wolfskehl den Roman in einem Brief an Ludwig Curtius. Er schreibt dem damaligen Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom, der sich über das München der Jahrhundertwende informieren will: „Die beste Quelle, fast bis ans Tatsächliche heran, jedenfalls doch für Stimmung und Luft der Epoche, ist und bleibt der Reventlow Herrn Dames Aufzeichnungen.“

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt