Lenggries

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Lenggries, 1908 (Foto: Privatbesitz)

An Ludwig Klages
Lenggries, 8.6.1901
abends

Ich war nachmittags mit Bubi im Hohenburger Park, ein Schloss, das irgendeinem Herzog gehört. Es ist ein herrlicher Riesenpark mit großen Bäumen, Wiesen, Wegen, auf denen noch rotes Herbstlaub liegt. Ich hatte vermessene Träume – als Schlossherrin fahrend, reitend, leuchtende Salons am Abend. Dann glaubte ich auf einmal in Husum zu sein und zuletzt jenes seltsame Gefühl, dass alles unwirklich sei, die Welt, ich selbst. Ich konnte mich minutenlang nicht mehr besinnen, wo und wer ich war.

(Briefe in Sämtliche Werke 4, S. 323f)

Das bei Lenggries gelegene Schloss Hohenburg und der Park, der es umgibt, wecken bei Franziska zu Reventlow Erinnerungen an ihre Kindheit. Ihr Traumleben ist zeitweise sehr intensiv. Das Schloss vor Husum erscheint darin in überirdischer Beleuchtung, seltener in bedrohlicher Manier. Ihr autobiografischer Roman Ellen Olestjerne beginnt mit den Worten „Schloss Nevershuus“ und manifestiert sofort die Bedeutung, die das Gebäude für die Protagonistin einnimmt. Das Schloss, in dem sie aufwächst, wird als grau und schwerfällig beschrieben. Es ist von hohen mächtigen Bäumen umgeben und bietet von der Plattform des Turms aus einen unerwartet weiten Blick über das Meer, die Heide, die Wiese und die kleine Küstenstadt Husum.

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Gunna Wendt

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