Karussell (1880-1938)
1895 konstruierte der Schausteller Hugo Haase eine Stufenbahn. Drei abgestufte Podien drehten sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Gäste saßen auf springenden Pferden und schaukelnden Gondeln. Haase staffierte diese Stufenbahn in der Folgezeit zu prachtvollen Karussell-Palästen aus. Mit blinken Lichtern, einer glänzenden Fassade und Orgelmusik bot er Besucherinnen und Besuchern aus allen Milieus die Möglichkeit, sich königlich zu amüsieren. 1911 verkaufte Haase eine seiner Bahnen an den Vergnügungspark Coney Island in New York.
Wer vor ca. 50 Jahren unser Oktoberfest mitgemacht hat und es heuer zum erstenmale wieder sähe, der würde eher glauben, in einer Märchenwelt statt beim Oktoberfest zu sein. Sehen wir uns die prunkvoll ausgestatteten Façaden diverser Schaubuden an, so wird uns in erster Linie die reich mit Gold, Silber und satten Farben ausgeführte Façade des Haase'schen Caroussell-Noblesse ins Auge fallen. Dieses mit großem Kostenaufwande ausgeführte Vergnügungsetablissement birgt aber auch in seinem Innern eine feenhafte Ausstattung, die durch geradezu verschwenderische Beleuchtungseffekte einen Anblick bietet, als wären wir im Märchenlande.
Heinrich Scheiber: Gratis Oktoberfest-Führer. Scheiber Verlag, München 1904
Elektrisch beleuchtet waren nur die Bierbuden, Haases Stufenbahn und Rierls Kinematographen-Theater. Was draußen fehlte, das gab es in der Stufenbahn in Überfülle. Hunderte von knallfarbigen Glühbirnen fuhren gegeneinander Karussell. Ein Riesenorchestrion hämmerte Walzer, Rheinländer und „Frahsäh“. Und auf hölzernen Rössern, Schwänen, Elefanten und Kamelen ritt die vornehme Welt.
Ernst Hoferichter: Erst wurde ich öffentlich geköpft und dann eingesperrt. In: Vom Prinzregenten bis Karl Valentin. Altmünchner Erinnerungen. Bayerischer Landwirtschaftsverlag, München 1966
In der Stufenbahn „fesche Weiber“ und schöne Lebemänner. Wäre ich doch etwas eleganter. Ein wundervoller Schwarzer mit mir geäugelt, jedesmal beim Herumfahren, und ein junger, sehr morbider, aber ich konnte sie nachher nicht mehr finden, und wir mußten fort. Bubi sehr glückselig.
Gräfin Franziska zu Reventlow, Tagebuchnotiz vom 23. September 1908
Otto und Resi besuchen das Oktoberfest und kommen in der Schottenhamel-Festhalle mit anderen Gästen ins Gespräch. Wegen der Zenta, für die sich Otto aus Sicht von Resi eine Spur zu sehr interessiert, geraten die beiden in Streit. Resi ist beleidigt, verlässt die Bierhalle und weint. Nachdem sie eine Begegnung mit einem unangenehmen Herrn hatte, macht sie sich auf die Suche nach Otto. Im Schatten der Schiffschaukel trifft sich das Paar und feiert anschließend in einer kleinen Weinbude Versöhnung.
Resi hatte Herzklopfen. Nun wollte Sie ganz gewiss nicht mehr weiter gehen als bis zum Schiffskarussell [...] wie leicht konnte ihr der Mensch folgen und sie beobachten. Er hatte sie mit seinem falschen, schielenden Blick so misstrauisch angesehen, und beleidigt hatte sie ihn obendrein. Endlich war sie angelangt. Sie stellte sich in den Schatten, und beim ersten Blick erkannte sie Zenta, die in einem der auf- und abschaukelnden Kähne saß und sich laut lachend festhielt. Ihr gegenüber saß Nottebohm; aber Otto? [...]
Ludwig Thoma: Münchnerinnen. Langen Müller Verlag, München 1919
Weitere Kapitel:
1895 konstruierte der Schausteller Hugo Haase eine Stufenbahn. Drei abgestufte Podien drehten sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Gäste saßen auf springenden Pferden und schaukelnden Gondeln. Haase staffierte diese Stufenbahn in der Folgezeit zu prachtvollen Karussell-Palästen aus. Mit blinken Lichtern, einer glänzenden Fassade und Orgelmusik bot er Besucherinnen und Besuchern aus allen Milieus die Möglichkeit, sich königlich zu amüsieren. 1911 verkaufte Haase eine seiner Bahnen an den Vergnügungspark Coney Island in New York.
Wer vor ca. 50 Jahren unser Oktoberfest mitgemacht hat und es heuer zum erstenmale wieder sähe, der würde eher glauben, in einer Märchenwelt statt beim Oktoberfest zu sein. Sehen wir uns die prunkvoll ausgestatteten Façaden diverser Schaubuden an, so wird uns in erster Linie die reich mit Gold, Silber und satten Farben ausgeführte Façade des Haase'schen Caroussell-Noblesse ins Auge fallen. Dieses mit großem Kostenaufwande ausgeführte Vergnügungsetablissement birgt aber auch in seinem Innern eine feenhafte Ausstattung, die durch geradezu verschwenderische Beleuchtungseffekte einen Anblick bietet, als wären wir im Märchenlande.
Heinrich Scheiber: Gratis Oktoberfest-Führer. Scheiber Verlag, München 1904
Elektrisch beleuchtet waren nur die Bierbuden, Haases Stufenbahn und Rierls Kinematographen-Theater. Was draußen fehlte, das gab es in der Stufenbahn in Überfülle. Hunderte von knallfarbigen Glühbirnen fuhren gegeneinander Karussell. Ein Riesenorchestrion hämmerte Walzer, Rheinländer und „Frahsäh“. Und auf hölzernen Rössern, Schwänen, Elefanten und Kamelen ritt die vornehme Welt.
Ernst Hoferichter: Erst wurde ich öffentlich geköpft und dann eingesperrt. In: Vom Prinzregenten bis Karl Valentin. Altmünchner Erinnerungen. Bayerischer Landwirtschaftsverlag, München 1966
In der Stufenbahn „fesche Weiber“ und schöne Lebemänner. Wäre ich doch etwas eleganter. Ein wundervoller Schwarzer mit mir geäugelt, jedesmal beim Herumfahren, und ein junger, sehr morbider, aber ich konnte sie nachher nicht mehr finden, und wir mußten fort. Bubi sehr glückselig.
Gräfin Franziska zu Reventlow, Tagebuchnotiz vom 23. September 1908
Otto und Resi besuchen das Oktoberfest und kommen in der Schottenhamel-Festhalle mit anderen Gästen ins Gespräch. Wegen der Zenta, für die sich Otto aus Sicht von Resi eine Spur zu sehr interessiert, geraten die beiden in Streit. Resi ist beleidigt, verlässt die Bierhalle und weint. Nachdem sie eine Begegnung mit einem unangenehmen Herrn hatte, macht sie sich auf die Suche nach Otto. Im Schatten der Schiffschaukel trifft sich das Paar und feiert anschließend in einer kleinen Weinbude Versöhnung.
Resi hatte Herzklopfen. Nun wollte Sie ganz gewiss nicht mehr weiter gehen als bis zum Schiffskarussell [...] wie leicht konnte ihr der Mensch folgen und sie beobachten. Er hatte sie mit seinem falschen, schielenden Blick so misstrauisch angesehen, und beleidigt hatte sie ihn obendrein. Endlich war sie angelangt. Sie stellte sich in den Schatten, und beim ersten Blick erkannte sie Zenta, die in einem der auf- und abschaukelnden Kähne saß und sich laut lachend festhielt. Ihr gegenüber saß Nottebohm; aber Otto? [...]
Ludwig Thoma: Münchnerinnen. Langen Müller Verlag, München 1919