Mark Twain über München
An einem Abend besuchte ich ein Konzert in München. Die Leute strömten herein, der Uhrzeiger zeigte auf sieben, die Musik begann, und augenblicklich hörte jegliche Bewegung im Saal auf – niemand stand noch oder lief durch die Gänge oder klapperte an seinem Sitz herum; der Strom der Hereinkommenden war plötzlich an seiner Quelle versiegt. Ich lauschte ungestört einem Musikstück, das fünfzehn Minuten dauerte – immer darauf gefasst, dass ein paar säumige Kartenbesitzer sich vor meinen Knien vorbeizwängen würden, und immerzu angenehm enttäuscht –, aber kaum war der letzte Ton verklungen, strömt es von neuem. Man hatte nämlich die Nachzügler von Anfang bis zum Ende der Musik in dem behaglichen Warteraum festgehalten ... Einige von ihnen waren recht vornehme Vögel, aber das machte gar nichts, sie mussten draußen in dem langgestreckten Warteraum unter den prüfenden Blicken einer Doppelreihe livrierter Lakaien und Zofen ausharren, die mit dem Rücken die Wände stützten und die Siebensachen ihrer Herren und Herrinnen auf den Armen hielten.
Mark Twain, Bummel durch Deutschland, 1878 (Zit. aus: Mark Twain: Bummel durch Deutschland. Mit 20 Bildern von Hans Traxler. München 2006, S. 86)
Mark Twain (1835-1910), amerikanischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1878/1879
Sekundärliteratur:
Klein, Michael (2015): Mark Twain in München (Stationen, 16). Morio Verlag, Heidelberg.
Ders. (Hg.) (2016): Mark Twain in Bayern. Erzählungen, Reiseberichte, Briefe. Allitera Verlag, München.
Weitere Kapitel:
An einem Abend besuchte ich ein Konzert in München. Die Leute strömten herein, der Uhrzeiger zeigte auf sieben, die Musik begann, und augenblicklich hörte jegliche Bewegung im Saal auf – niemand stand noch oder lief durch die Gänge oder klapperte an seinem Sitz herum; der Strom der Hereinkommenden war plötzlich an seiner Quelle versiegt. Ich lauschte ungestört einem Musikstück, das fünfzehn Minuten dauerte – immer darauf gefasst, dass ein paar säumige Kartenbesitzer sich vor meinen Knien vorbeizwängen würden, und immerzu angenehm enttäuscht –, aber kaum war der letzte Ton verklungen, strömt es von neuem. Man hatte nämlich die Nachzügler von Anfang bis zum Ende der Musik in dem behaglichen Warteraum festgehalten ... Einige von ihnen waren recht vornehme Vögel, aber das machte gar nichts, sie mussten draußen in dem langgestreckten Warteraum unter den prüfenden Blicken einer Doppelreihe livrierter Lakaien und Zofen ausharren, die mit dem Rücken die Wände stützten und die Siebensachen ihrer Herren und Herrinnen auf den Armen hielten.
Mark Twain, Bummel durch Deutschland, 1878 (Zit. aus: Mark Twain: Bummel durch Deutschland. Mit 20 Bildern von Hans Traxler. München 2006, S. 86)
Mark Twain (1835-1910), amerikanischer Schriftsteller; Aufenthalt in München: 1878/1879
Klein, Michael (2015): Mark Twain in München (Stationen, 16). Morio Verlag, Heidelberg.
Ders. (Hg.) (2016): Mark Twain in Bayern. Erzählungen, Reiseberichte, Briefe. Allitera Verlag, München.