Fedor Ivanowitsch Tjutschew über München
Nachdem ich gestern zur Zeit meines Morgenspaziergangs die Mitteilung der für heute angekündigten Extrafahrt der Eisenbahn gelesen hatte, begeisterte ich Maltizew für diesen Zug ... Wir fuhren um vier Uhr ab und sollten um sechs Uhr zurück sein. Statt dessen sind wir um zehn Uhr in die Stadt zurückgekehrt. Wahrhaftig, die in dieser Institution herrschende Unordnung, Anarchie und Dummheit kann man sich kaum vorstellen. Offensichtlich beschützt die göttliche Vorsehung, unter deren Schutz die Kinder und Betrunkenen stehen, dieses Unternehmen. Nur das Wirken der Vorsehung war dazu fähig, schrecklicheres Unglück zu verhüten. Auf der breiten Landstraße warteten vier- bis fünftausend Menschen in tiefster Dunkelheit auf den Zug, um sich auf ihn zu werfen, sobald er auftauchte, und man war gezwungen, die Wagons im Sturm einzunehmen, weil man im Falle des Misslingens gezwungen gewesen wäre, fünf Meilen von München entfernt die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Klagegeschrei, Gedränge, die Gefahr, unter die Räder zu geraten, irgendein teuflisches Feuerwerk, aus unbekanntem Grund abgefeuert ... alles das ließ mich sogar für einige Momente über Deine Abwesenheit freuen ... Das Gedränge war so groß, dass eine kleine Bucklige, die ich im Schlepptau hatte, beinahe ihren Buckel verloren hätte. Einige hundert Menschen werden nicht vor morgen früh in München ankommen. Zweifellos wird sich morgen gegen die Direktion ein schreckliches Gemurre erheben. Wenn das Publikum nicht so gutmütig wäre, würde morgen keine einzige Scheibe der Fenster der Verwaltung des Herrn Maffei heil bleiben.
Fjodor Iwanowitsch Tjutschew, 1839 (Zit. aus: Fjodor Iwanowitsch Tjutschew. In: Arkadij Polonskij: Hier lebte Tjutschew. Ein russischer Dichter in München. Hg. v. MIR e.V. Bayerisches Zentrum russischer Kultur in München. München 2003, S. 189f.)
Fjodor Iwanowitsch Tjutschew (1803-1873), russischer Schriftsteller und Diplomat; Aufenthalt in München: 1822 bis 1837 und 1839 bis 1844
Weitere Kapitel:
Nachdem ich gestern zur Zeit meines Morgenspaziergangs die Mitteilung der für heute angekündigten Extrafahrt der Eisenbahn gelesen hatte, begeisterte ich Maltizew für diesen Zug ... Wir fuhren um vier Uhr ab und sollten um sechs Uhr zurück sein. Statt dessen sind wir um zehn Uhr in die Stadt zurückgekehrt. Wahrhaftig, die in dieser Institution herrschende Unordnung, Anarchie und Dummheit kann man sich kaum vorstellen. Offensichtlich beschützt die göttliche Vorsehung, unter deren Schutz die Kinder und Betrunkenen stehen, dieses Unternehmen. Nur das Wirken der Vorsehung war dazu fähig, schrecklicheres Unglück zu verhüten. Auf der breiten Landstraße warteten vier- bis fünftausend Menschen in tiefster Dunkelheit auf den Zug, um sich auf ihn zu werfen, sobald er auftauchte, und man war gezwungen, die Wagons im Sturm einzunehmen, weil man im Falle des Misslingens gezwungen gewesen wäre, fünf Meilen von München entfernt die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Klagegeschrei, Gedränge, die Gefahr, unter die Räder zu geraten, irgendein teuflisches Feuerwerk, aus unbekanntem Grund abgefeuert ... alles das ließ mich sogar für einige Momente über Deine Abwesenheit freuen ... Das Gedränge war so groß, dass eine kleine Bucklige, die ich im Schlepptau hatte, beinahe ihren Buckel verloren hätte. Einige hundert Menschen werden nicht vor morgen früh in München ankommen. Zweifellos wird sich morgen gegen die Direktion ein schreckliches Gemurre erheben. Wenn das Publikum nicht so gutmütig wäre, würde morgen keine einzige Scheibe der Fenster der Verwaltung des Herrn Maffei heil bleiben.
Fjodor Iwanowitsch Tjutschew, 1839 (Zit. aus: Fjodor Iwanowitsch Tjutschew. In: Arkadij Polonskij: Hier lebte Tjutschew. Ein russischer Dichter in München. Hg. v. MIR e.V. Bayerisches Zentrum russischer Kultur in München. München 2003, S. 189f.)
Fjodor Iwanowitsch Tjutschew (1803-1873), russischer Schriftsteller und Diplomat; Aufenthalt in München: 1822 bis 1837 und 1839 bis 1844