Julien Green über München
Bereits 1931 hatte Julien Green den „Barberinischen Faun“ in der Glyptothek in der alten Pracht des Bacchussaales besucht. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg traf er den Faun in seinem elenden Notquartier vor abbröckelndem, blaugrünem Stuckmarmor und vor nacktem Ziegelwerk an, wie seine Fotos von 1950 dokumentieren. Die Skulptur war am 8. März 1950 als „Spätheimkehrer“ aus seiner Kriegsverlagerung im Schloss von Tegernsee nach München zurückgekehrt. Dem damals achtzig Zentner schweren Koloss wollte man jede Zwischenstation ersparen und brachte ihn deshalb gleich in den notdürftig hergerichteten Bacchussaal:
Heute morgen bin ich in den Ruinen der Glyptothek gewesen, um den „Barberinischen Faun“ zu sehen, den einzigen Bewohner dieses riesigen zerstörten Museums. Man muss mit dem Fuß gegen die Eisentür treten, damit der Wärter kommt, aber der Faun erwacht nie aus diesem verzauberten Schlaf, der schon so viele Jahrhunderte währt. Man geht durch weite Säle unter offenem Himmel, deren Mauern die Spur der Flammen tragen. Der Faun steht in einer Ecke, unter einer Art Dach, das man ihm aus Brettern errichtet hat. Er ist vom Schlaf übermannt. Man kann kaum über diese Statue sprechen, ohne in eine Begeisterung zu verfallen, die mir fremd ist. Die Kopie von Bouchardon erschien mir immer ziemlich langweilig. Es ist die sinnlichste Statue der Welt und schönste der griechischen Statuen seit den archaischen Kuroi.
Julien Green, Statuen sprechen, 1950 (Zit. aus: Julien Green: Statuen sprechen. Fotografien und Texte. Staatliche Antikensammlung und Glyptothek. Carl Hanser Verlag, München 1992)
Julien Green (1900-1998), amerikanischer Schriftsteller französischer Sprache; Aufenthalt in München: um 1950
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Bereits 1931 hatte Julien Green den „Barberinischen Faun“ in der Glyptothek in der alten Pracht des Bacchussaales besucht. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg traf er den Faun in seinem elenden Notquartier vor abbröckelndem, blaugrünem Stuckmarmor und vor nacktem Ziegelwerk an, wie seine Fotos von 1950 dokumentieren. Die Skulptur war am 8. März 1950 als „Spätheimkehrer“ aus seiner Kriegsverlagerung im Schloss von Tegernsee nach München zurückgekehrt. Dem damals achtzig Zentner schweren Koloss wollte man jede Zwischenstation ersparen und brachte ihn deshalb gleich in den notdürftig hergerichteten Bacchussaal:
Heute morgen bin ich in den Ruinen der Glyptothek gewesen, um den „Barberinischen Faun“ zu sehen, den einzigen Bewohner dieses riesigen zerstörten Museums. Man muss mit dem Fuß gegen die Eisentür treten, damit der Wärter kommt, aber der Faun erwacht nie aus diesem verzauberten Schlaf, der schon so viele Jahrhunderte währt. Man geht durch weite Säle unter offenem Himmel, deren Mauern die Spur der Flammen tragen. Der Faun steht in einer Ecke, unter einer Art Dach, das man ihm aus Brettern errichtet hat. Er ist vom Schlaf übermannt. Man kann kaum über diese Statue sprechen, ohne in eine Begeisterung zu verfallen, die mir fremd ist. Die Kopie von Bouchardon erschien mir immer ziemlich langweilig. Es ist die sinnlichste Statue der Welt und schönste der griechischen Statuen seit den archaischen Kuroi.
Julien Green, Statuen sprechen, 1950 (Zit. aus: Julien Green: Statuen sprechen. Fotografien und Texte. Staatliche Antikensammlung und Glyptothek. Carl Hanser Verlag, München 1992)
Julien Green (1900-1998), amerikanischer Schriftsteller französischer Sprache; Aufenthalt in München: um 1950