Philip Francis über München

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Antiquarium der Münchner Residenz, errichtet unter Albrecht V. ab 1568 (Privatbesitz)

30. Juli 1772

Morgens bin ich durch die Stadt spaziert, die recht annehmbar gebaut ist, aber meinen Erwartungen nicht entsprach. Habe den Palast und die Kapelle des Kurfürsten angesehen. Einige der Räume sind sehr üppig ausgestattet, eine Anzahl schöner Gemälde. In der Kapelle nichts als Narrheiten. Habe Herrn Devisme einen Besuch abgestattet, der uns viele gute Gründe angab, warum wir ihn nicht der Mühe unterziehen sollten, dass er uns dem Kurfürsten vorstellt. Unter anderem den Grund, dass Seine Hoheit auf dem Land weilt, etwa sieben oder acht Meilen entfernt. Solche Wichtigkeit eines Charge d'Affaires ist wirklich sehenswert, wenn auch vielleicht keine Reise nach München wert. Bin mit ihm in einen Park gegangen, wo er uns einer Reihe von Personen vorstellte, die er als Grafen und Gräfinnen bezeichnete. Gartenstil und Adel scheinen hier von recht ähnlicher Qualität zu sein.



31. Juli 1772

Habe den Schatz des Kurfürsten, seine Sammlung antiker Münzen und sein Antikenkabinett angesehen. Im Ersteren eine beträchtliche Menge Schmuck, üppig und wertvoll. Im Zweiten eine feine Sammlung römischer Goldmünzen; im Dritten überaus zahlreiche Auftritte römischer Kaiser (zumindest dem Namen nach), viele davon sehr wertvoll. Um halb drei Uhr setzte ich mich mit Herrn Devisme zu Tisch. Das Geschirr war silbern. Zwei Gläser essigstichiger Burgunder, den er selbst in Haschen importiert. Zwei Gläser Tokaier. Erhob mich um halb vier von besagter Tafel, und als wir zu unserem Gasthause kamen, bestellte ich dort eine Hammelkeule. Machte eine Beobachtung. Englische Mägen und englische Hirne brauchen solide Nahrung. Herr Devisme teilt diese Meinung nicht. Am Abend war es ihm dann ein Vergnügen, uns nach Nymphenburg zu begleiten, zu einem hübschen Landsitz des Kurfürsten, der etwa drei Meilen außerhalb der Stadt liegt und wo wir eine Porzellanmanufaktur und einige schöne Gemälde vorfanden. Der Park ist nach deutschem Geschmack, kehrten halbtot vor Hunger und Müdigkeit nach Hause zurück.

Philip Francis, Eintragungen im Reisetagebuch, 1772 (Zit. aus: Philip Francis: Eintragungen im Reisetagebuch. In: Jeremy Black und Alois Schmid: München im Jahre 1772. Aus dem Reisetagebuch des englischen Diplomaten Philip Francis, S. 84f.)

 

Philip Francis (1740-1818), englischer Diplomat; Aufenthalt in München: 1772

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek