Ingmar Bergman über München
Ein heißer Wind erhebt sich in den Wüsten Afrikas, geht durch Italien, klettert über die Alpen und gibt dabei Feuchtigkeit ab, fließt über die Hochebene, stößt auf München. Am Morgen kann Schneeregen sein und minus zwei Grad, und mittags, wenn du aus dem Theater dunkel heraustrittst, ist über zwanzig Grad, die Luft zittert durchsichtig – drückende Hitze. Die Alpenkette am Horizont ist plötzlich so nahe, dass man sie mit der Hand greifen kann. Die Menschen und Tiere werden verrückt. Verkehrsunglücke nehmen zu, wichtige Operationen werden zurückgestellt und die Theaterproben enden emotionell geladener als gewöhnlich. Die ganze Stadt wird elektrisch. Ich leide unter Schlaflosigkeit und bin gereizt. Der Wind heißt Föhn und wird zu Recht gefürchtet. Die Zeitungen berichten darüber mit großen Rubriken und die Münchner trinken Weizenbier mit einer saftigen Zitronenscheibe im Glas.
Ingmar Bergman, Mein Leben, 1987 (Zit. aus: Ingmar Bergman: Mein Leben. In: Markus Metz und Georg Seeßlen: Die Erschöpfung des Exils. Ingmar Bergmans Münchner Jahre. In: Bayrischer Rundfunk. Redaktion: Radiokultur/Radiorepertoire. Erstsendung: 10. Dezember 2007, S. 29. Verlag Wewerka, Alexander, Berlin)
Außerdem mag ich München sehr, ich mag die Musik, ich mag diese Stadt. Es ist schön hier zu wohnen, zu leben. Das Leben ist in dieser Stadt unerhört stimulierend, und wenn auch meine dortigen Flitterwochen zu Ende sind und das deutsche Kritiker-Corps nicht gerade mit Samthandschuhen arbeitet, so wird in München doch in einem unerhört vitalen Kulturklima geschrieben und debattiert ... Auch in München kann man lange spazieren gehen. Die Schweden und die Bayern sind nicht so weit voneinander weg. Sie sind ziemlich ähnlich. Mit dem Kontakt habe ich keine Schwierigkeiten gehabt.
Ingmar Bergman, Mein Leben, 1987 (Zit. aus: Ingmar Bergman: Mein Leben. In: Markus Metz und Georg Seeßlen: Die Erschöpfung des Exils. Ingmar Bergmans Münchner Jahre. In: Bayrischer Rundfunk. Redaktion: Radiokultur/Radiorepertoire. Erstsendung: 10. Dezember 2007, S. 27)
Ingmar Bergman (1918-2007), schwedischer Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur; Aufenthalt in München: 1976 bis 1985
Weitere Kapitel:
Ein heißer Wind erhebt sich in den Wüsten Afrikas, geht durch Italien, klettert über die Alpen und gibt dabei Feuchtigkeit ab, fließt über die Hochebene, stößt auf München. Am Morgen kann Schneeregen sein und minus zwei Grad, und mittags, wenn du aus dem Theater dunkel heraustrittst, ist über zwanzig Grad, die Luft zittert durchsichtig – drückende Hitze. Die Alpenkette am Horizont ist plötzlich so nahe, dass man sie mit der Hand greifen kann. Die Menschen und Tiere werden verrückt. Verkehrsunglücke nehmen zu, wichtige Operationen werden zurückgestellt und die Theaterproben enden emotionell geladener als gewöhnlich. Die ganze Stadt wird elektrisch. Ich leide unter Schlaflosigkeit und bin gereizt. Der Wind heißt Föhn und wird zu Recht gefürchtet. Die Zeitungen berichten darüber mit großen Rubriken und die Münchner trinken Weizenbier mit einer saftigen Zitronenscheibe im Glas.
Ingmar Bergman, Mein Leben, 1987 (Zit. aus: Ingmar Bergman: Mein Leben. In: Markus Metz und Georg Seeßlen: Die Erschöpfung des Exils. Ingmar Bergmans Münchner Jahre. In: Bayrischer Rundfunk. Redaktion: Radiokultur/Radiorepertoire. Erstsendung: 10. Dezember 2007, S. 29. Verlag Wewerka, Alexander, Berlin)
Außerdem mag ich München sehr, ich mag die Musik, ich mag diese Stadt. Es ist schön hier zu wohnen, zu leben. Das Leben ist in dieser Stadt unerhört stimulierend, und wenn auch meine dortigen Flitterwochen zu Ende sind und das deutsche Kritiker-Corps nicht gerade mit Samthandschuhen arbeitet, so wird in München doch in einem unerhört vitalen Kulturklima geschrieben und debattiert ... Auch in München kann man lange spazieren gehen. Die Schweden und die Bayern sind nicht so weit voneinander weg. Sie sind ziemlich ähnlich. Mit dem Kontakt habe ich keine Schwierigkeiten gehabt.
Ingmar Bergman, Mein Leben, 1987 (Zit. aus: Ingmar Bergman: Mein Leben. In: Markus Metz und Georg Seeßlen: Die Erschöpfung des Exils. Ingmar Bergmans Münchner Jahre. In: Bayrischer Rundfunk. Redaktion: Radiokultur/Radiorepertoire. Erstsendung: 10. Dezember 2007, S. 27)
Ingmar Bergman (1918-2007), schwedischer Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur; Aufenthalt in München: 1976 bis 1985