Zurück zum Kölner Dom...
Zurück zum Kölner Dom, den man nach dem Zweiten Weltkrieg, den er nur überlebte, weil er als Anflugsmarker für alliierte Bomber diente, tatsächlich nicht an Ort und Stelle lassen wollte. Aufgrund des Baus eines U-Bahntunnels, der die Statik der alten Gemäuer bedrohte, gab es Überlegungen, ihn abzutragen und auf die andere Seite des Rheins zu verlegen. Unabhängig davon, wie weit diese Überlegungen gingen, ist der bekannte Schlager von De Höhner scheinbar existentieller gemeint, als man denkt. Spaß und Tragödie beiseite. Schumann selbst hat noch ein weiteres Stück geschrieben, in dem die Megakirche am Rhein einen nachdenklichen Auftritt hat und das sich im Liedzyklus Dichterliebe findet. Zugrunde liegt ein Gedicht von Heinrich Heine. Die auf den ersten Blick so einfach wirkenden Strophen sind beeindruckend gebaut: Im Rhein, im heiligen Strome, / Da spiegelt sich in den Well’n, / Mit seinem großen Dome, / Das große, heilige Cöln. Wenn man irgendwo zeigen kann, was Reime leisten können, wenn sie am richtigen Fleck eingesetzt werden, dann z.B. hier, als formale Entsprechung und Unterstreichung des Spiegelmotivs, das zusätzlich im Vokabular der Verse durch die Wiederholungen ausgedrückt wird: heilig, heilig, groß, groß. Im Wort Strom spiegelt sich der Dom und in den Well’n etwas verwischt: Cöln. Schumann taucht das Ganze in gravitätisches d-Moll und fügt es in einen Rhythmus, der nach schweren, aber irgendwie in den Wellen gespiegelten Kirchenglocken klingt, bevor er für die zweite Strophe nach D-Dur wechselt: Im Dom da steht ein Bildniß, / Auf goldenem Leder gemalt; / In meines Lebens Wildniß / Hat’s freundlich hineingestrahlt. Wir müssen uns die Reime behalten, die auch für das weitere Gedicht verbindlich sind: Der Dom, nichts anderes wird nahegelegt, liegt noch immer im Strom. Der Szenenwechsel ins Innere ist auf kein Element festgelegt. Die zweite Strophe könnte genauso gut am Land im Trockenen spielen, wie auf dem Grunde des Rheins. Die erste Strophe hat viel, aber kaum spürbaren Aufwand betrieben, um beides gleichzeitig in Erwägung zu ziehen, was Schumann durch die schaukelnden Bewegungen seiner Klavierbegleitung unterstreicht. Aber ob gedanklicher Landgang oder imaginierte Untiefen. So oder so wird weiter verdoppelt: Es schweben Blumen und Englein / Um unsre liebe Frau; / Die Augen, die Lippen, die Wänglein, / Die gleichen der Liebsten genau. Zur Synthese der ersten beiden Strophen greift Heine auch in der dritten wieder auf das Spiegelmotiv zurück. Die Madonna gleicht der Liebsten bis aufs Haar. Das ganze Gedicht ist eine Spiegelung. Die Sphäre des Heiligen wird auf die Liebe übertragen etc pp. Schumanns spiegelnder Rhein, der ewig andere Fluss, geht mit seinen Wellenglocken darüber hinweg.
Zu Köllen kam ich spät abends an konnte ich wieder mit Heine sagen, der es mit dem Namen der Konkurrenz-Stadt seines Geburtsortes Düsseldorf anscheinend nicht so genau nahm, wie mit dem Aufbau seiner Texte. Als ich aus dem wundervollen Foyer des Kölner Bahnhofs ins Freie trat, sah ich den Dom nach vielen Jahren wieder das erste Mal. Das wirklich erste Mal hab ich ihn von der Autobahn aus gesehen und konnte, den Vordersitz umklammernd, nicht fassen, wie groß er aus der Ferne wirkte. Ja, wirkte. Wir standen im Stau und ich hab ihn einfach nur angestarrt, ohne im zäh fließenden Verkehr zu bemerken, wie ich unterdessen in die Stadt gekommen bin. Jetzt, um die zehn Jahre später, nahm ich ein Taxi in ein Gasthaus, wo ich noch ein paar Freunde treffen wollte und lehnte meine Stirn an die kühle Scheibe, um mir die Stadt auf dem Weg etwas anzusehen. Natürlich ist Köln ungewöhnlich hässlich, aber im einzelnen gibt es sehr gelungene 50er Jahre Architektur, stimmige Straßenzüge mit schiefen, ausladenden Platanen und immer wieder einem Stadttor oder einer neu- oder original-romanischen Kirche. Die Gotik ist vor siebzig Jahren aus der Stadt verschwunden und was von ihr übriggeblieben war, hat sich samt und sonders auf den Kölner Dom zurückgezogen. Wie Tiere bei einem Waldbrand sind die Teufelchen und Dämonen, die Drachen, Hexen, Schlangenfrauen, Harpyien, Geisböcke, Wölfe, Wasserbüffel, Wildschweine, Löwen, Greife und generell gotische Haus- und Gassengeister aus den Flammen auf die Kirche geflohen. Die Heinzelmännchen dagegen sind in Stalingrad gestorben oder haben zumindest ihre winzig kleinen Zehen in der Kälte der Kesselschlacht zurückgelassen.
Die Zülpicher Straße, in der ich jetzt ausstieg, ist nebenbei eine der sympathischsten Weggehstraßen in Deutschland. Aber das wissen alle, die schon einmal in Cöln waren. Wir tranken ein paar Meter Kölsch, gingen noch weiter und schliefen in Deutz, wechselten also im Gegensatz zum Kölner Dom die Flussseite.
Weitere Kapitel:
Zurück zum Kölner Dom, den man nach dem Zweiten Weltkrieg, den er nur überlebte, weil er als Anflugsmarker für alliierte Bomber diente, tatsächlich nicht an Ort und Stelle lassen wollte. Aufgrund des Baus eines U-Bahntunnels, der die Statik der alten Gemäuer bedrohte, gab es Überlegungen, ihn abzutragen und auf die andere Seite des Rheins zu verlegen. Unabhängig davon, wie weit diese Überlegungen gingen, ist der bekannte Schlager von De Höhner scheinbar existentieller gemeint, als man denkt. Spaß und Tragödie beiseite. Schumann selbst hat noch ein weiteres Stück geschrieben, in dem die Megakirche am Rhein einen nachdenklichen Auftritt hat und das sich im Liedzyklus Dichterliebe findet. Zugrunde liegt ein Gedicht von Heinrich Heine. Die auf den ersten Blick so einfach wirkenden Strophen sind beeindruckend gebaut: Im Rhein, im heiligen Strome, / Da spiegelt sich in den Well’n, / Mit seinem großen Dome, / Das große, heilige Cöln. Wenn man irgendwo zeigen kann, was Reime leisten können, wenn sie am richtigen Fleck eingesetzt werden, dann z.B. hier, als formale Entsprechung und Unterstreichung des Spiegelmotivs, das zusätzlich im Vokabular der Verse durch die Wiederholungen ausgedrückt wird: heilig, heilig, groß, groß. Im Wort Strom spiegelt sich der Dom und in den Well’n etwas verwischt: Cöln. Schumann taucht das Ganze in gravitätisches d-Moll und fügt es in einen Rhythmus, der nach schweren, aber irgendwie in den Wellen gespiegelten Kirchenglocken klingt, bevor er für die zweite Strophe nach D-Dur wechselt: Im Dom da steht ein Bildniß, / Auf goldenem Leder gemalt; / In meines Lebens Wildniß / Hat’s freundlich hineingestrahlt. Wir müssen uns die Reime behalten, die auch für das weitere Gedicht verbindlich sind: Der Dom, nichts anderes wird nahegelegt, liegt noch immer im Strom. Der Szenenwechsel ins Innere ist auf kein Element festgelegt. Die zweite Strophe könnte genauso gut am Land im Trockenen spielen, wie auf dem Grunde des Rheins. Die erste Strophe hat viel, aber kaum spürbaren Aufwand betrieben, um beides gleichzeitig in Erwägung zu ziehen, was Schumann durch die schaukelnden Bewegungen seiner Klavierbegleitung unterstreicht. Aber ob gedanklicher Landgang oder imaginierte Untiefen. So oder so wird weiter verdoppelt: Es schweben Blumen und Englein / Um unsre liebe Frau; / Die Augen, die Lippen, die Wänglein, / Die gleichen der Liebsten genau. Zur Synthese der ersten beiden Strophen greift Heine auch in der dritten wieder auf das Spiegelmotiv zurück. Die Madonna gleicht der Liebsten bis aufs Haar. Das ganze Gedicht ist eine Spiegelung. Die Sphäre des Heiligen wird auf die Liebe übertragen etc pp. Schumanns spiegelnder Rhein, der ewig andere Fluss, geht mit seinen Wellenglocken darüber hinweg.
Zu Köllen kam ich spät abends an konnte ich wieder mit Heine sagen, der es mit dem Namen der Konkurrenz-Stadt seines Geburtsortes Düsseldorf anscheinend nicht so genau nahm, wie mit dem Aufbau seiner Texte. Als ich aus dem wundervollen Foyer des Kölner Bahnhofs ins Freie trat, sah ich den Dom nach vielen Jahren wieder das erste Mal. Das wirklich erste Mal hab ich ihn von der Autobahn aus gesehen und konnte, den Vordersitz umklammernd, nicht fassen, wie groß er aus der Ferne wirkte. Ja, wirkte. Wir standen im Stau und ich hab ihn einfach nur angestarrt, ohne im zäh fließenden Verkehr zu bemerken, wie ich unterdessen in die Stadt gekommen bin. Jetzt, um die zehn Jahre später, nahm ich ein Taxi in ein Gasthaus, wo ich noch ein paar Freunde treffen wollte und lehnte meine Stirn an die kühle Scheibe, um mir die Stadt auf dem Weg etwas anzusehen. Natürlich ist Köln ungewöhnlich hässlich, aber im einzelnen gibt es sehr gelungene 50er Jahre Architektur, stimmige Straßenzüge mit schiefen, ausladenden Platanen und immer wieder einem Stadttor oder einer neu- oder original-romanischen Kirche. Die Gotik ist vor siebzig Jahren aus der Stadt verschwunden und was von ihr übriggeblieben war, hat sich samt und sonders auf den Kölner Dom zurückgezogen. Wie Tiere bei einem Waldbrand sind die Teufelchen und Dämonen, die Drachen, Hexen, Schlangenfrauen, Harpyien, Geisböcke, Wölfe, Wasserbüffel, Wildschweine, Löwen, Greife und generell gotische Haus- und Gassengeister aus den Flammen auf die Kirche geflohen. Die Heinzelmännchen dagegen sind in Stalingrad gestorben oder haben zumindest ihre winzig kleinen Zehen in der Kälte der Kesselschlacht zurückgelassen.
Die Zülpicher Straße, in der ich jetzt ausstieg, ist nebenbei eine der sympathischsten Weggehstraßen in Deutschland. Aber das wissen alle, die schon einmal in Cöln waren. Wir tranken ein paar Meter Kölsch, gingen noch weiter und schliefen in Deutz, wechselten also im Gegensatz zum Kölner Dom die Flussseite.