Ludwig Thoma am Rafenauer Weiher

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Ludwig Thoma mit der befreundeten Familie Sachs bei einer Kahnpartie auf der Alz bei Seebruck am Chiemsee, 1892 (Archiv Monacensia). V.l.n.r.: Hanna Sachs (spätere Frau Kröck), deren Mutter, Frau Kommerzienrat Mathilde Sachs, Ludwig Thoma, Hannas Bruder Bertram und Schwester Lina (spätere Frau Macco)

Ludwig Thomas Lausbubengeschichten stellen eine Satire auf die Welt der Erwachsenen dar aus der Sicht des Lateinschülers Ludwig. Seine Streiche richten sich gegen dümmliche Überheblichkeit und obrigkeitshörige Anpassung. In der Eingangsgeschichte Der vornehme Knabe findet sich beides wieder: Arthur spielt schon das Spiel der Großen; er will kommandieren und Admiral sein. Seine Eltern, „feine Leute“ aus Preußen, rümpfen über die einfachen Sitten der Landbevölkerung die Nase. Ludwig erteilt jedoch den Eltern und dem weichlichen Knaben später eine Lektion:

Zum Scheckbauern ist im Sommer eine Familie gekommen. Die war sehr vornehm, und sie ist aus Preußen gewesen.

Wie ihr Gepäck gekommen ist, war ich auf der Bahn, und der Stationsdiener hat gesagt, es ist lauter Juchtenleder, die müssen viel Gerstl haben.

Und meine Mutter hat gesagt, es sind feine Leute, du musst sie immer grüßen, Ludwig.

Er hat einen weißen Bart gehabt, und seine Stiefel haben laut geknarrzt.

Sie hat immer Handschuhe angehabt, und wenn es wo nass war auf dem Boden, hat sie huh! geschrien und hat ihr Kleid aufgehoben.

Wie sie den ersten Tag da waren, sind sie im Dorf herumgegangen. Er hat die Häuser angeschaut und ist stehen geblieben. Da habe ich gehört, wie er gesagt hat: „Ich möchte nur wissen, von was diese Leute leben.“

Bei uns sind sie am Abend vorbei, wie wir gerade gegessen haben. Meine Mutter hat gegrüßt, und Ännchen auch. Da ist er hergekommen mit seiner Frau und hat gefragt: „Was essen Sie da?“

Wir haben Lunge mit Knödel gegessen, und meine Mutter hat es ihm gesagt.

Da hat er gefragt, ob wir immer Knödel essen, und seine Frau hat uns durch einen Zwicker angeschaut. Es war aber kein rechter Zwicker, sondern er war an einer kleinen Stange, und sie hat ihn auf- und zugemacht.

Meine Mutter sagte zu mir: „Steh auf, Ludwig, und mache den Herrschaften dein Kompliment“, und ich habe es gemacht.

Da hat er zu mir gesagt, was ich bin, und ich habe gesagt, ich bin ein Lateinschüler. Und meine Mutter sagte: „Er war in der ersten Klasse und darf aufsteigen. Im Lateinischen hat er die Note zwei gekriegt.“

Er hat mich auf den Kopf getätschelt und hat gesagt: „Ein gescheiter Junge; du kannst einmal zu uns kommen und mit meinem Arthur spielen. Er ist so alt wie du.“

Dann hat er meine Mutter gefragt, wie viel sie Geld kriegt im Monat, und sie ist ganz rot geworden und hat gesagt, dass sie hundertzehn Mark kriegt.

Er hat zu seiner Frau hinübergeschaut und hat gesagt: „Emilie, noch nicht vierzig Taler.“

Und sie hat wieder ihren Zwicker vor die Augen gehalten.

Dann sind sie gegangen, und er hat gesagt, dass man es noch gehört hat: „Ich möchte bloß wissen, von was diese Leute leben.“

Am andern Tag habe ich den Arthur gesehen. Er war aber nicht so groß wie ich und hat lange Haare gehabt bis auf die Schultern und ganz dünne Füße. Das habe ich gesehen, weil er eine Pumphose anhatte. Es war noch ein Mann dabei mit einer Brille auf der Nase. Das war sein Instruktor. Sie sind beim Rafenauer gestanden, wo die Leute Heu gerecht haben.

Der Arthur hat hingedeutet und hat gefragt: „Was tun die da machen?“

Und der Instruktor hat gesagt: „Sie fassen das Heu auf. Wenn es genügend gedörrt ist, werden die Tiere damit gefüttert.“

Der Scheck Lorenz war bei mir, und wir haben uns versteckt, weil wir so gelacht haben. (Ludwig Thoma: Das Schönste von Ludwig Thoma. München u.a. o.J., S. 68-75, S. 105-109.)

Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek

Sekundärliteratur:

Tworek, Elisabeth (2011): Literarische Sommerfrische. Künstler und Schriftsteller im Alpenvorland. Ein Lesebuch. Allitera Verlag, München, S. 194ff., S. 264.

Externe Links:

Der vornehme Knabe bei zeno.org

Der vornehme Knabe bei gutenberg.spiegel.de