Das Kraus-Projekt
2013 (auf Deutsch 2014) veröffentlicht, bildet Das Kraus-Projekt eine Hommage an Franzens frühes Vorbild Karl Kraus. Darin übersetzt er zwei für ihn entscheidende Aufsätze aus Kraus‘ Werk ins Englische – auch um die über literarische Fachkreise und Spezialinteressierte Aufmerksamkeit für das Werk des österreichischen Schriftstellers wiederzubeleben: Heine und die Folgen, eine postume Attacke auf Heinrich Heine (1797-1856) und sein Werk aus dem Jahr 1910 sowie Nestroy und die Nachwelt, eine ebenfalls postume Hommage an den Dramatiker Johann Nestroy (1801-1862), aus dem Jahr 1912. Franzen kommentiert die beiden Aufsätze in ausführlichen Fußnoten und reflektiert anhand der Aussagen und Bedeutung von Kraus auch sein eigenes Leben und Wirken, etwa seine Studienzeit in Berlin. Zudem stellt Franzen eine Analogie her zwischen Kraus‘ Kritik am damaligen Massenmedium Zeitung und seiner eigenen Skepsis gegenüber Internet, Social Media und Techkonzernen.
Das Projekt realisiert Franzen mithilfe zweier Mitstreiter, seinem Freund und Kollegen Daniel Kehlmann und dem Karl-Kraus-Experten Paul Reitter, Germanistik-Professor in Ohio. Dieser erläutert in Das Kraus-Projekt das Verhältnis von Kraus zu Heine und Nestroy: „Johann Nestroy (1801-1862) war einer der wenigen österreichischen Autoren, die Kraus bewunderte. In seinem Aufsatz Nestroy und die Nachwelt, dessen Titel ihn als das Pendant zu Heine und die Folgen kenntlich macht, erläutert er genau, was ihn an Nestroy anspricht. Kraus lobt ihn dafür, dass er einige von Heines populistischen Ideen durch den Kakao zieht; und er begrüßt die Wortbarrikaden, die Nestroy ebenjenem von Heine so sehr beförderten Prozess in den Weg stellt: dem der Trivialisierung der Kultur. Vor allem aber hebt er die Qualität der satirischen Mittel Nestroys hervor.“
Jonathan Franzen spitzt Kraus‘ Ansatz bezüglich Nestroy und Heine wie folgt zu: „In Nestroy und die Nachwelt (1912) unternahm Kraus das Gegenteil von dem, was er zwei Jahre zuvor in Heine und die Folgen gemacht hatte – er setzte sich für einen unterschätzten Schriftsteller ein, anstatt einen überschätzten zu demontieren.“ Franzen bezieht sich auf folgende Aussagen Kraus‘ in Heine und die Folgen: „Heines aufklärende Leistung in Ehren – ein so großer Satiriker, daß man ihm die Denkmalswürdigkeit absprechen müßte, war er nicht. Ja, er war ein so kleiner Satiriker, daß die Dummheit seiner Zeit auf die Nachwelt gekommen ist.“
Wie es zu Das Kraus-Projekt kommt, berichtet Franzen im SPIEGEL-Interview vom 23.11.2014: „Als Autor von Romanen schließe ich nicht gern Leser aus – ich schreibe sowohl für die gewöhnlichen als auch für literarisch anspruchsvolle Leser. Aber bevor ich mit dem Buch begann, hatte ich mit dem Fernsehsender HBO an der Verfilmung meines Romans Die Korrekturen gearbeitet, fast ein Jahr lang. Der Pilotfilm war eine Enttäuschung für alle, nicht zuletzt für die Leute von HBO, und ich war glücklich, als wir die Sache absagten. Ich hatte dermaßen genug von dieser TV-Welt, dass ich etwas Ernsthaftes machen wollte.“
Seine Übersetzungen im Rahmen von Das Kraus-Projekt sind Franzens zweiter Anlauf, wie er ebenda in einer Fußnote schreibt: „Drei Monate nach meiner Rückkehr aus Berlin schenkte mir mein Germanistikprofessor George Avery eine gebundene Ausgabe von Kraus‘ Die dritte Walpurgisnacht ... Ich war ein guter Student von ihm gewesen, und es war wohl mein Wunsch, sein bester Exstudent aller Zeiten zu werden – mich als würdig zu erweisen, ihm meine Verbundenheit zu zeigen –, der mich in den auf meine Hochzeit folgenden Monaten dazu bewog, die beiden schwierigen Kraus-Aufsätze, die ich aus Berlin mitgebracht hatte, zu übersetzen.“
Zu einer Veröffentlichung kommt es seinerzeit jedoch nicht, wie Franzen weiter berichtet: „Ein paar Wochen später bekam ich sie zurück, mit Randbemerkungen in seiner mikroskopisch kleinen Handschrift sowie einem Brief, in dem er meine Anstrengungen lobte, aber auch schrieb, er könne sehen, wie teuflisch schwierig es sei, Kraus zu übersetzen. Ich verstand den Wink, sah mir die Rohfassungen noch einmal an und stellte entmutigt fest, dass sie gestelzt und beinahe unlesbar waren. Fast jeder Satz hätte noch einmal überarbeitet werden müssen, und ich war von der bereits getanen Arbeit so erschöpft, dass ich die Seiten in einem Aktenordner verschwinden ließ.“
Weitere Kapitel:
2013 (auf Deutsch 2014) veröffentlicht, bildet Das Kraus-Projekt eine Hommage an Franzens frühes Vorbild Karl Kraus. Darin übersetzt er zwei für ihn entscheidende Aufsätze aus Kraus‘ Werk ins Englische – auch um die über literarische Fachkreise und Spezialinteressierte Aufmerksamkeit für das Werk des österreichischen Schriftstellers wiederzubeleben: Heine und die Folgen, eine postume Attacke auf Heinrich Heine (1797-1856) und sein Werk aus dem Jahr 1910 sowie Nestroy und die Nachwelt, eine ebenfalls postume Hommage an den Dramatiker Johann Nestroy (1801-1862), aus dem Jahr 1912. Franzen kommentiert die beiden Aufsätze in ausführlichen Fußnoten und reflektiert anhand der Aussagen und Bedeutung von Kraus auch sein eigenes Leben und Wirken, etwa seine Studienzeit in Berlin. Zudem stellt Franzen eine Analogie her zwischen Kraus‘ Kritik am damaligen Massenmedium Zeitung und seiner eigenen Skepsis gegenüber Internet, Social Media und Techkonzernen.
Das Projekt realisiert Franzen mithilfe zweier Mitstreiter, seinem Freund und Kollegen Daniel Kehlmann und dem Karl-Kraus-Experten Paul Reitter, Germanistik-Professor in Ohio. Dieser erläutert in Das Kraus-Projekt das Verhältnis von Kraus zu Heine und Nestroy: „Johann Nestroy (1801-1862) war einer der wenigen österreichischen Autoren, die Kraus bewunderte. In seinem Aufsatz Nestroy und die Nachwelt, dessen Titel ihn als das Pendant zu Heine und die Folgen kenntlich macht, erläutert er genau, was ihn an Nestroy anspricht. Kraus lobt ihn dafür, dass er einige von Heines populistischen Ideen durch den Kakao zieht; und er begrüßt die Wortbarrikaden, die Nestroy ebenjenem von Heine so sehr beförderten Prozess in den Weg stellt: dem der Trivialisierung der Kultur. Vor allem aber hebt er die Qualität der satirischen Mittel Nestroys hervor.“
Jonathan Franzen spitzt Kraus‘ Ansatz bezüglich Nestroy und Heine wie folgt zu: „In Nestroy und die Nachwelt (1912) unternahm Kraus das Gegenteil von dem, was er zwei Jahre zuvor in Heine und die Folgen gemacht hatte – er setzte sich für einen unterschätzten Schriftsteller ein, anstatt einen überschätzten zu demontieren.“ Franzen bezieht sich auf folgende Aussagen Kraus‘ in Heine und die Folgen: „Heines aufklärende Leistung in Ehren – ein so großer Satiriker, daß man ihm die Denkmalswürdigkeit absprechen müßte, war er nicht. Ja, er war ein so kleiner Satiriker, daß die Dummheit seiner Zeit auf die Nachwelt gekommen ist.“
Wie es zu Das Kraus-Projekt kommt, berichtet Franzen im SPIEGEL-Interview vom 23.11.2014: „Als Autor von Romanen schließe ich nicht gern Leser aus – ich schreibe sowohl für die gewöhnlichen als auch für literarisch anspruchsvolle Leser. Aber bevor ich mit dem Buch begann, hatte ich mit dem Fernsehsender HBO an der Verfilmung meines Romans Die Korrekturen gearbeitet, fast ein Jahr lang. Der Pilotfilm war eine Enttäuschung für alle, nicht zuletzt für die Leute von HBO, und ich war glücklich, als wir die Sache absagten. Ich hatte dermaßen genug von dieser TV-Welt, dass ich etwas Ernsthaftes machen wollte.“
Seine Übersetzungen im Rahmen von Das Kraus-Projekt sind Franzens zweiter Anlauf, wie er ebenda in einer Fußnote schreibt: „Drei Monate nach meiner Rückkehr aus Berlin schenkte mir mein Germanistikprofessor George Avery eine gebundene Ausgabe von Kraus‘ Die dritte Walpurgisnacht ... Ich war ein guter Student von ihm gewesen, und es war wohl mein Wunsch, sein bester Exstudent aller Zeiten zu werden – mich als würdig zu erweisen, ihm meine Verbundenheit zu zeigen –, der mich in den auf meine Hochzeit folgenden Monaten dazu bewog, die beiden schwierigen Kraus-Aufsätze, die ich aus Berlin mitgebracht hatte, zu übersetzen.“
Zu einer Veröffentlichung kommt es seinerzeit jedoch nicht, wie Franzen weiter berichtet: „Ein paar Wochen später bekam ich sie zurück, mit Randbemerkungen in seiner mikroskopisch kleinen Handschrift sowie einem Brief, in dem er meine Anstrengungen lobte, aber auch schrieb, er könne sehen, wie teuflisch schwierig es sei, Kraus zu übersetzen. Ich verstand den Wink, sah mir die Rohfassungen noch einmal an und stellte entmutigt fest, dass sie gestelzt und beinahe unlesbar waren. Fast jeder Satz hätte noch einmal überarbeitet werden müssen, und ich war von der bereits getanen Arbeit so erschöpft, dass ich die Seiten in einem Aktenordner verschwinden ließ.“