Deutsch als wichtige Sprache
In der Schule wählt Jonathan Franzen Deutsch als Fach – aus strategischen Gründen, so Franzen im SPIEGEL-Interview vom 23.11.2014): „Ich wollte ursprünglich Naturwissenschaftler werden. Deutsch ist da eine wichtige Sprache, also habe ich es an der Highschool belegt, drei Jahre lang.“ Die Lektüre deutschsprachiger Literatur packt ihn, wie er im gleichen Interview berichtet: „Es gab ein geheimes Ich. Wie eine Figur von Thomas Mann habe ich mich an Orte begeben, von denen meine Eltern nichts wussten. Orte der Psyche, der Kunst. Meine Eltern hatten nie die Möglichkeiten, die ich gehabt habe. Als ich zwölf Jahre alt war, hatte ich schon mehr Bücher gelesen als meine Mutter in ihrem ganzen Leben. Ich floh vor ihrem Zugriff in den Untergrund, der die Lektüre war. Meine Mutter hatte einen liebenden Zugriff, natürlich, aber eben einen starken Zugriff, dem ich mich nur durch Heimlichkeiten entziehen konnte.“ In Die Unruhezone – eine Geschichte von mir berichtet der Autor von einer Art Bewusstseinsveränderung dank der deutschsprachigen Literatur: „Zum ersten Mal in meinem Leben begann ich, in den Menschen in meiner Familie wirkliche Menschen zu sehen, nicht bloß Verwandte, denn ich hatte deutsche Literatur gelesen und wurde selbst ein Mensch.“
Im Studium vertieft Franzen sein besonderes Faible für deutschsprachige Literatur, wie auch die Wahl von Germanistik als Studienfach belegt – teilweise aus pragmatischen Gründen, so Franzen im oben erwähnten Interview: „Als ich aufs College ging, wusste ich eigentlich schon, dass ich Schriftsteller werden wollte, meinen Eltern aber wollte ich das nicht sagen, sie hätten es nicht verstanden. Ich war ja darauf angewiesen, dass sie mir das College finanzierten. Als ich damit aufhörte, so zu tun, als wollte ich Naturwissenschaftler werden, gelang es mir, sie davon zu überzeugen, dass ein Germanistikstudium für den Arbeitsmarkt auch nützlich sei.“
Ein Dozent und Mentor bringt Franzen auf Kafka und weitere deutschsprachige Autoren. In Die Unruhezone schreibt Franzen diesbezüglich: „Mein Lehrer des Intensivkurses Deutsch im dritten Semester war der zweite festangestellte Professor im Fachbereich, George Avery, ein nervöser, gutaussehender, mit kratziger Stimme redender Amerikaner griechischer Abstammung, der offenbar größte Schwierigkeiten hatte, in Sätzen zu sprechen, die weniger als dreihundert Wörter umfassten … In der ersten Stunde schaute er auf seine Unterlagen, sagte achselzuckend: Ich nehme an, damit sind Sie vertraut, und begann mit einer weitläufigen Abschweifung über ausdrucksstarke und selten gebrauchte deutsche Redewendungen.“
Franzen hält über viele Jahre weiter Kontakt zu Avery und bleibt bei Deutsch als Studienfach: „Da ich im Kurs Gleichungen mit mehreren Variablen beinahe durchgefallen wäre, hatte ich in der exakten Wissenschaft keine Zukunft mehr, und da meine Eltern angedeutet hatten, ich müsste mir das College vielleicht selbst finanzieren, sofern ich unbedingt Englisch im Hauptfach studieren wollte, bot sich mir Deutsch gewissermaßen automatisch an. Sein größter Reiz als Hauptfach bestand für mich darin, dass ich leicht Einsen bekam, gleichzeitig versicherte ich meinen Eltern aber, ich würde mich auf eine Laufbahn in internationalem Bankwesen, Jura, Diplomatie oder Journalismus vorbereiten.“
Weitere Kapitel:
In der Schule wählt Jonathan Franzen Deutsch als Fach – aus strategischen Gründen, so Franzen im SPIEGEL-Interview vom 23.11.2014): „Ich wollte ursprünglich Naturwissenschaftler werden. Deutsch ist da eine wichtige Sprache, also habe ich es an der Highschool belegt, drei Jahre lang.“ Die Lektüre deutschsprachiger Literatur packt ihn, wie er im gleichen Interview berichtet: „Es gab ein geheimes Ich. Wie eine Figur von Thomas Mann habe ich mich an Orte begeben, von denen meine Eltern nichts wussten. Orte der Psyche, der Kunst. Meine Eltern hatten nie die Möglichkeiten, die ich gehabt habe. Als ich zwölf Jahre alt war, hatte ich schon mehr Bücher gelesen als meine Mutter in ihrem ganzen Leben. Ich floh vor ihrem Zugriff in den Untergrund, der die Lektüre war. Meine Mutter hatte einen liebenden Zugriff, natürlich, aber eben einen starken Zugriff, dem ich mich nur durch Heimlichkeiten entziehen konnte.“ In Die Unruhezone – eine Geschichte von mir berichtet der Autor von einer Art Bewusstseinsveränderung dank der deutschsprachigen Literatur: „Zum ersten Mal in meinem Leben begann ich, in den Menschen in meiner Familie wirkliche Menschen zu sehen, nicht bloß Verwandte, denn ich hatte deutsche Literatur gelesen und wurde selbst ein Mensch.“
Im Studium vertieft Franzen sein besonderes Faible für deutschsprachige Literatur, wie auch die Wahl von Germanistik als Studienfach belegt – teilweise aus pragmatischen Gründen, so Franzen im oben erwähnten Interview: „Als ich aufs College ging, wusste ich eigentlich schon, dass ich Schriftsteller werden wollte, meinen Eltern aber wollte ich das nicht sagen, sie hätten es nicht verstanden. Ich war ja darauf angewiesen, dass sie mir das College finanzierten. Als ich damit aufhörte, so zu tun, als wollte ich Naturwissenschaftler werden, gelang es mir, sie davon zu überzeugen, dass ein Germanistikstudium für den Arbeitsmarkt auch nützlich sei.“
Ein Dozent und Mentor bringt Franzen auf Kafka und weitere deutschsprachige Autoren. In Die Unruhezone schreibt Franzen diesbezüglich: „Mein Lehrer des Intensivkurses Deutsch im dritten Semester war der zweite festangestellte Professor im Fachbereich, George Avery, ein nervöser, gutaussehender, mit kratziger Stimme redender Amerikaner griechischer Abstammung, der offenbar größte Schwierigkeiten hatte, in Sätzen zu sprechen, die weniger als dreihundert Wörter umfassten … In der ersten Stunde schaute er auf seine Unterlagen, sagte achselzuckend: Ich nehme an, damit sind Sie vertraut, und begann mit einer weitläufigen Abschweifung über ausdrucksstarke und selten gebrauchte deutsche Redewendungen.“
Franzen hält über viele Jahre weiter Kontakt zu Avery und bleibt bei Deutsch als Studienfach: „Da ich im Kurs Gleichungen mit mehreren Variablen beinahe durchgefallen wäre, hatte ich in der exakten Wissenschaft keine Zukunft mehr, und da meine Eltern angedeutet hatten, ich müsste mir das College vielleicht selbst finanzieren, sofern ich unbedingt Englisch im Hauptfach studieren wollte, bot sich mir Deutsch gewissermaßen automatisch an. Sein größter Reiz als Hauptfach bestand für mich darin, dass ich leicht Einsen bekam, gleichzeitig versicherte ich meinen Eltern aber, ich würde mich auf eine Laufbahn in internationalem Bankwesen, Jura, Diplomatie oder Journalismus vorbereiten.“