Vogelbeobachtung und Umweltschutz

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Jonathan Franzen ist begeisterter Hobby-Ornithologe. In seinem Essay „Warum Vögel wichtig sind“ (erschienen im Essayband Das Ende vom Ende der Welt) offenbart Franzen, was ihn an ebenjenen Tieren so fasziniert: „Vögel sind die anderen weltbeherrschenden Lebewesen, die die Evolution hervorgebracht hat, und ihre Gleichgültigkeit uns gegenüber sollte uns Demut lehren, erinnert sie uns doch daran, dass wir nicht das Maß aller Dinge sind.“

Seine seit Ende der 1990er-Jahre entflammte Vogelliebe bringt Franzen zurück zum Umweltschutz. Sein wiedererwachendes Bewusstsein für Umweltschutz hat Franzen dem früheren US-Vizepräsidenten Al Gore zu verdanken, wie er in Die Unruhezone – eine Geschichte von mir schreibt: „Eines Abends Anfang März ging ich zur Society for Ethical Culture, um mir von Al Gore einen Vortrag zum Thema globale Erwärmung anzuhören ... Über eine Stunde lang lieferte er, mit viel Graphik-Unterstützung, zwingende Beweise für bevorstehende klimatisch bedingte Kataklysmen, die zu unvorstellbaren Umwälzungen und Leiden auf dem ganzen Erdball führen würden, womöglich noch zu meinen Lebzeiten ... Als ich in jener Nacht versuchte einzuschlafen und mir Gores Computerbilder eines verwüsteten Nordamerikas immer wieder vor Augen traten, konnte ich nicht anders, als mir um die Milliarden Vögel und Tausende von Vogelarten, die dann weltweit ausgelöscht würden, Sorgen zu machen.“

Aus seiner Liebe zu Vögeln heraus macht sich Franzen immer wieder intensiv Gedanken zum Umweltschutz, etwa in seinen Essaysammelbänden Weiter Weg und Das Ende vom Ende der Welt. Auch in Bezug auf die Klimaschutzbewegung hat Franzen eine klare, sperrige, kontroverse Haltung, die er in Interviews sowie Essays äußert. In seinem Essay „Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?“ (2019, auf Deutsch 2020) ruft er dazu auf, sich einzugestehen, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist. Aber: „Die wichtigsten Umweltschutzorganisationen widmeten mittlerweile den Großteil ihrer Energie und Ressourcen einem einzigen Thema, ausgehend von der Theorie, dass alles andere keine Rolle mehr spielt, wenn wir den Klimawandel nicht stoppen ... Ist es nicht politisch kontraproduktiv, den Menschen die Hoffnung zu nehmen?“ Vielmehr müsse man das Machbare im Schutz der Umwelt und Stärkung der Demokratie einleiten, um die so unausweichlichen wie absehbaren Folgen ein wenig kompensieren zu können, was Grund zur Hoffnung gebe: „Freundlichkeit gegenüber dem Nächsten und Achtsamkeit gegenüber der Umwelt – Förderung gesunder Böden, ein vernünftiger Umgang mit Wasser, Schutz von Bienen und anderen Bestäuberinsekten – werden in einer Krise und in jeder Gesellschaft, die sie übersteht, wesentliche Bedeutung erlangen ... Vor allem aber gibt sie mir Hoffnung für heute.“

Damit eckt er wie bei seiner Internetskepsis mehrfach an, nicht zuletzt im Internet und in Medienbesprechungen, wie er im Vorwort der aktualisierten Ausgabe (auf Deutsch erschienen im Jahr 2020) bilanziert: „Als der Essay am 8. September 2019 herauskam, dieses Mal wieder im New Yorker, begriff ich, dass ich genauso gut eine Polemik hätte schreiben können. Die Reaktion der Klima-Community, vor allem in den sozialen Medien, war geradezu bösartig negativ. Wenn man so will, hatte ich das geradezu herausgefordert, indem ich implizierte, dass sie die Realität des Klimawandels leugnet, wenn auch auf ihre Weise. Einen besseren Beleg für die psychologische Kraft dieses Leugnens hätte es wohl kaum geben können.“

Verfasst von: Thomas Steierer